Für den Durchschnittskonsumenten mag das Thema ebenso Luxusproblem sein wie die Auswahl des richtigen Glases. Und ebenso wie bei unserem Feature Auf der Jagd nach der perfekten Form vom 4. November 2020 sagen wir: nicht ganz.

Grundsätzliches ist längst bekannt: dunkel muss es sein. Weder UV- noch Kunstlicht dürfen den Schlaf des Weines stören. Kühl soll es sein, und zwar möglichst konstant und wenn das nicht geht, sollten die Temperaturschwankungen wenigstens moderat ausfallen und sanft verlaufen, nicht ruckartig. Etwas Luftfeuchte ist ideal. Hygrometer und Thermometer kosten heute kein Geld mehr, um die Eignung eines Raumes zur Weinlagerung zu beurteilen. Luftbefeuchtungsanlagen bergen jedoch Tücken - niemand will Schimmel im Haus. Liegen soll der Wein, nicht stehen, Platz kostet das ganze also auch noch. Lagerpotenzial sehen wir nur bei Weinen mit Korkverschluss, und der Kork muß vom Wein umspült sein, muß feucht gehalten werden, sonst trocknet er aus, schrumpft, dichtet nicht mehr ab, und mit der Lagerung ist es vorbei. Über andere Verschlusstechniken schrieben wir 2013 und 2015 auf "LW über"…, und nichts davon kommt für unser Thema infrage. Ruhig und ungestört soll der Wein schlafen, sprich: nicht dauernd hin und her gewackelt werden. Die gerne erzählte Geschichte vom Bordeaux, der auf den Handelsschiffen nach England gehörig durchgeschaukelt wurde und dadurch angeblich enorm an Qualität gewann, stammt aus längst vergangenen Zeiten der Weinbereitung, und das Rütteln von Champagner und Sekten verfolgt einen gänzlich anderen Zweck.

Dunkel, kühl, ungestört, sozusagen wie im Grab soll ein Wein also schlafen, um zu reifen und schließlich ungeahnte Höhen zu erreichen. Stellen sich einige Fragen: warum sollte man Wein überhaupt lagern? Muss man Wein lagern? Und was tun, wenn man keinen geeigneten und vor fremdem Zugriff (z. B. Ehegatten oder Partygäste der Kinder) sicheren Keller besitzt?

Natürlich kann man relativ frisch abgefüllten, jungen Weiß- oder Rotwein kurzfristig öffnen und in vielen Fällen mit Genuss trinken. Viele Weine, im unteren Preissegment heute die Mehrzahl, sind nicht für lange Lagerung gedacht und werden bereits mit dieser Eigenschaft (oder fehlenden Eigenschaft) produziert. Der Weinbaubetrieb kann kaum Interesse daran haben, daß seine Weine erst nach 10, 20 Jahren der Lagerung trinkbar werden. Solche Regionen und ihre Produzenten gibt es, aber um so zu verfahren, bedarf es eines Renommees, das man sich in Jahrzehnten und Jahrhunderten erarbeitet und bewahrt haben muss. Für den Rest, der nicht mit solcher Tradition gesegnet ist, heißt das Ziel Umsatz, und Umsatz bedeutet Bewegen der Ware vom Produzenten zum Kunden. Die ungeliebte Schwester der Lagerung heißt Kapitalbindung, und die soll sich gefälligst der Privatmann leisten, aber nicht der Winzer.

Diejenigen jedoch, die sich entschließen, beispielsweise Riesling, Cabernet Sauvignon und wenige andere Sorten guter Jahrgänger von erstklassigen Weingütern zu kaufen und Geduld wie Gelegenheit haben, sie einige Jahre wegzuschließen, ja zu vergessen, denen tut sich ein begeisterndes Geschmackserlebnis auf. Die möglicherweise emotionale Erinnerung an ein lange zurückliegendes Jahr kommt hinzu, am meisten aber faszinierte uns, daß die Auseinandersetzung mit dem Wein zu einer geradezu intellektuellen Herausforderung wird, die sich nicht mehr mit "Anklängen von Zitrus und Apfel,..." zufrieden geben kann. Das alles bleibt den, sagen wir: „Jungwein-Trinkern“ verschlossen. Glück gehört natürlich dazu: Ausreißer wird es immer geben. Der Wein kann sich nach dem Öffnen als tot entpuppen, sozusagen im Grabe sanft entschlafen. Beispielsweise spielte der Verschluss nicht mit. In dieser Klasse kommt nur reiner Naturkork infrage, und Kork ist ein eigenwilliges Naturprodukt. Wein auch. Man hat alles richtig gemacht, die Staubschicht verspricht excitement, doch irgendwann in den vergangenen 15 Jahren liefen irgendwelche Pilze, Bakterien, Enzyme oder Säuren aus dem Ruder und verhunzten alles. Das Risiko gehört leider zum Spiel dazu.

Für Weinliebhaber, die nun keine geeigneten Lagermöglichkeiten besitzen, gibt es Rat. Die Null-Lösung ist natürlich, Wein einfach nicht zu lagern und auf jedes Brimborium zu pfeifen. Dann kann man unbesorgt Flaschen mit Schraub-, Glas- oder Plastikverschluss kaufen, erfreut sich am schnellen, unkomplizierten Genuß und läuft nicht Gefahr, TCA/TBA verseuchtes Zeugs im Keller und später im Glas zu haben. Zweitens: Weingenuß ist eine soziale Beschäftigung, sollte es zumindest sein. Gibt es wirklich niemanden im Freundeskreis, der über Lagermöglichkeiten verfügt und dem man seine Schätze anvertrauen und bei Gelegenheit sogar mit ihm teilen könnte? Drittens: Weinschließfächer - ja, so etwas gibt es wirklich. Gesichert, klimatisiert, jederzeit zugänglich. Leider nur in wenigen Städten verfügbar, teure Miete, hinfahren muss man, und oft ist alles noch an die Mitgliedschaft in irgendeinem Club gebunden, um überhaupt an ein Schließfach zu kommen. Andererseits ist es ja immer interessant, Leute zu treffen, die dieselbe Macke haben, wie man selbst.

Ist das alles keine Lösung, blieben als letzte Möglichkeiten nur der Einkauf bei einem Händler, der sich auf den Verkauf alter Weine spezialisiert oder die Teilnahme an Weinauktionen. Wir von der LW haben beides zwar nur selten gemacht, wurden aber nie enttäuscht. Da LW weder Sponsoren hat noch Werbung akzeptiert, nennen wir hier keine Adressen, geben auf Anfrage aber gerne Empfehlungen.

Trotz aller Hürden: wir meinen, Erlebnis und Genuss sind den Aufwand unbedingt wert. Am besonderen Abend, zur besonderen Gelegenheit mit den besonderen Menschen kommt ohnehin nur der besondere Wein auf den Tisch, der ausschließlich vom anerkannt sehr guten Produzenten stammt, und wenn der jahre- und jahrzehntealte Jahrgang dann noch eins draufsetzt, sollte der Abend eigentlich perfekt sein. Eigentlich.