2002 hatte sich Michael Schiefer von der örtlichen Genossenschaft getrennt und baute auf rund 4 ha Trollinger, Lemberger und eine weite Palette an Burgundersorten an, aus denen er hochklassige und stilistisch eher unschwäbische Weine erzeugte. Das Programm war mit nicht einmal 20 Positionen sehr überschaubar; erweitern wollte Michael Schiefer es nie, eher noch reduzieren. Er destillierte nicht und machte keinen Sekt, architektonische Selbstdarstellung, Verkostungskomfort oder mediale Dauerpräsenz interessierten ihn auch nie. Er war und ist Burgunderspezialist, einer der besten im Lande. 2020 entschied er sich, zur Genossenschaft zurückzukehren.
Schiefer bietet mit dem 2009 Samtrot trocken "im Holzfaß gereift" (2011er AP-Nr.) einen bemerkenswerten Samtrot an. Unmittelbar nach dem Öffnen macht sich eine leichte, nicht störende Altersnote bemerkbar, anschließend etwas Thymian, viel Liebstöckel und rote Beeren. Der tiefrote Wein ist auf der Zunge gerade noch samtig. Er entfaltet sich eindrücklich, ist kräftig, tief und voll - aber ohne die Opulenz eines guten Spätburgunders - , ist nicht zu süß, trinkt sich wegen seiner Weichheit jedoch unkompliziert. Geschmacklich wird er wieder vom Liebstöckel sowie von saftigen Brombeeren und Himbeeren bestimmt, die durch Toast und die dezente Altersnote eingefangen werden. Schließlich verabschiedet er sich mit überraschend langem Nachgang: hier ist jeder Schluck die Ouvertüre für den nächsten. Perfekt eingebundene Säure versprüht Feuer und verleiht Biß. Ein lebendiger, warmer Wein, ein Herbstwein, der kühle Temperierung verlangt. Kein Leichtgewicht, sondern robust: wir konfrontierten ihn mit den handgemachten Ravioli aus der Ludwigsburger Feinkost Galeria samt fetter Carbonara und scharfem sugo al pomodori. Funktionierte. Viele Weingüter preisen Trollinger als den Wein für "Pasta bis Pizza" an. Da hätte man auf eine bessere Idee kommen können.
Samtrots Bruder in Gestalt des 2009 Spätburgunder trocken Holzfaß ist erwartungsgemäß nicht vom lieblichen Kaiserstühler Standard. Aromatisch spielt er zwar in der fruchtigen Liga mit Sauerkirsche, schwarzer Johannisbeere und nur zurückhaltenden Gewürznoten. Wollte man seine Stilistik vergleichen, müßte man das mit Schwergewichten wie denen von Heinrich Gretzmeier oder sogar von Reinhold Pix tun: im Mund zieht er das Wasser zusammen, er ist in seiner Struktur burgundisch tief, mächtig und wirkt aggressiv selbstbewußt, aber fast ebenso fein. Im Winter 2016/17 öffneten wir zwei weitere Exemplare und waren von seiner Kraft und lebendigen Frucht beeindruckt. Wie Schiefers kräftig-kräuteriger 2010 Lemberger trocken Holzfaß ist er kaum als Alleinunterhalter geeignet. Er braucht Essensbegleiter, vorzugsweise aus der starken Küche, damit er seine Flügel ausbreiten kann. Dann aber kommen die Vanille, die Nelken, der weiche, süße Kakao hervor.
Und schließlich haben wir noch einen Weißburgunder auf dem Tisch: 2012 Weißer Burgunder **, denjenigen, der uns überhaupt zu Schiefer brachte. Beim 2011er mußte die Spontangärung unterbrochen werden, nachdem sie aus dem Ruder zu laufen drohte; daraus wurde zwangsläufig ein Süßer. Für uns ist der 2012er die Wahl: er und der im Holzfaß auf Chardonnay getrimmte "S" von Harald Hexamer sind These und Antithese des Weißburgunders: dazwischen spannen sich Stilistik und Geschmackswelt dieser Rebsorte auf. Bei dem ** haben wir es mit einem ungewöhnlich grünwürzigen Weißburgunder zu tun, Schiefer-typisch druckvoll, kräftig, aromatisch, tief. Apfelnoten usw. kann man erschmecken, aber die übliche gelbfruchtige Harmonie hat sich mitsamt ihren Butterkeksen, und was es sonst noch an Sortentypizität geben mag, verzogen. Saftige Orange im langen Nachgang, klar, streng, asketisch.