Mit seinen Rauch- und Specknoten im Duft, mit Waldfrüchten, Kräuter- und Feuersteinnoten, pfeffrigen Akzenten und einer Ahnung von Vanille im Geschmack, seiner seidigen, aber starken Textur und dem knochentrockenen Nachhall ist Hubers Spätburgunder ein idealer Kamin- und Winterwein. Er ist in seiner Fülle beinahe meditativ, ein dominanter, aber nie dominierender Begleiter zu kräftigen Speisen. Ein 2012er, im Herbst 2016 geöffnet, bestätigt die Klasse.
Hat man die Flasche vom Einwickelpapier befreit, entkorkt und den Inhalt einem ebenbürtigen Glas anvertraut, entfaltet sich die Duftwelt von Likörkirsche, After Eight, auch etwas Pfeffer, Weihrauch, Räucherspeck, einem Werk von Bernard Aubertin. Im Mund druckvoll, saftig, samtig, knochentrocken und stockfinster. Sauerkirsche mit einem Mundgefühl, als würde man einen Schwämmchen voller Aromen auf der Zunge ausdrücken: neben Sauerkirsche Tannennadeln, ein wenig Tinte, etwas Süßholz, frischer Tabak und Rauch; im Nachgang wiederum köstliche Kirschfrucht, und den Einfluss des Holzausbaus spürt man genau dann, wenn man ihn spüren will. Als passende musikalische Begleitung kommt mindestens Gothic infrage. Kein günstiger Wein, aber preiswert für das, was er bietet.
Klarheit und Strenge vermuten wir üblicherweise bei Riesling und bestimmt nicht bei Spätburgunder. Wenn doch, dann kommt er von Garagenwinzern, die sich so einen Wein einfach leisten wollen (und zwar für Kunden, die ihn sich leisten können). Duft und Geschmack: rote Johannisbeere, dunkle Waldfrüchte, feuchter Boden, Wintergewürze, daraus Zimt und Nelke hervorstechend. Ganz leichte Vanille, die nur sanft abrundet. Der Körper selbstbewußt, fleischig, aber nicht zu wuchtig. Im Stil kompromißlos: trocken, komplex, saftig, fordernd, jedoch nicht anstrengend. Insgesamt eher ins Burgund passend. Idealer Begleiter von Wild mit dessen eigenem Geschmack, der die delikate Fruchtsüße des Weins herausfordert. Ein Tropfen, so weit jenseits des Badener mainstream wie irgend möglich.
Der Wein spricht mit herben Noten von Sauerkirsche, Gewürznelke, weißem Pfeffer und dem ganz leichten Holzakzent, alles unterlegt von delikater Süße, alle Sinne an, überfordert aber keinen. Im Mund entfaltet sich sein Körper gewaltig und endet mit einer Vanilleexplosion im Nachgang. Noch jung, deshalb schrammt er haarscharf am ersten Platz vorbei. Aber wie jeder große Wein hat er Potential und Ruhe, seine Klasse ganz langsam zu entwickeln: seine Zeit wird erst kommen.
Im Winter 2013 war die Zeit gekommen. Wenn überhaupt möglich, noch eindrucksvoller, tiefer. Ein großer, meditativer Wein, fast so facettenreich wie die südbadischen Spitzen. Die Bezeichnung "u. b. F." - unser bestes Faß - nimmt man ihm jedenfalls sofort ab.
Die Flasche entstammt einem Restbestand, der in einem separaten Lager die Flutkatastrophe etwas ramponiert überlebte. Sie wurde im Sommer 2023 geöffnet. Im Duft dunkelfruchtig, pfeffrig und natürlich noch verschlossen, karg, ja steinig. Im Mund nach vorsichtiger Kühlung und ausreichendem Luftkontakt so weich und schmeichelnd - aber nie so süß - wie erstklassiger Kirschlikör, außerdem dunkle Waldfrüchte. Trocken, trotzdem seidig. Saftig, trotzdem elegant. Fruchtig, trotzdem straff. Langer kirschfruchtiger Nachhall. Man sollte - gerade heute, mehr Wein von der Ahr trinken.
Schillernder Duft - zunächst intensiv mineralisch, frischer Tabak, reifer Camembert, nasses Leder, Mark einer Vanilleschote, zunehmend fruchtig werdend mit frisch aufgeschnittener Pflaume, später sogar blumig. Im Mund hat man dann einen Wein, der Widerstand leistet, der gekaut werden will und im Februar 2017 ohnehin noch zu jung ist: in drei Jahren kann er seine Premiere geben. Inzwischen wird die Zunge eher von Rohseide als von Samt gestreichelt. In der Aromatik Orangenzeste, eine Spur Kräuter, viel überreife Herzkirsche, die im langen Abgang in einem Vanilleteppich aufgeht. Beispiel eines deutschen Spitzenspätburgunders, der sein Geld wert ist.
Der Wein wurde zum Jahreswechsel 2023/2024 geöffnet. Jung, filigran und definitiv noch nicht am Ende seiner Reise, keinerlei Altersmilde oder Altersschwäche. Rote Früchte, vor allem Johannisbeere im Duft, Zwetschge, später Nougat bis hin zu dunkler Schokolade. Im Mund gesalzenes Karamell, rotfruchtig, sanft, leicht, fließend, aber voll und robust. Der Wein provoziert wieder einmal die Frage, ob man einen Badener Spätburgunder der Oberklasse relativ zeitnah nach Abfüllung und Kauf öffnen sollte oder man sich damit nicht um einen viel größeren Genuß einige Jahre später bringt. Wir sind hier nicht im Riesling- oder Bordeaux-Olymp unterwegs, aber irgendwas zwischen fünf und zehn Jahren?
Hier der Basiswein des im Frühjahr 2021 eher Fachleuten bekannten newcomers Daniel Bach - newcomer allerdings nur, was das eigene Weingut anbelangt. Im mächtig-tiefen Duft Feuerstein, Likörkirsche, Lößstaub, später Moderholz, süße Zimt- und florale Noten. Im Mund explosive Aromatik, Waldfrüchte, vor allem Erdbeere, die bei langem Luftkontakt zur Konfitüre einkocht, scharfe Akzente von Feuerstein, Eukalyptus, schwarzem Pfeffer; lebendige, doch sanfte Säure. Extremer Nachhall mit der denkbar feinsten Anmutung von süßem Zimt. Der unfiltrierte Wein wirkt stoffig, dicht und schwebt dennoch leicht über den Gaumen. Obacht, hier entsteht ein neuer Maßstab!
Ohne Grund wurde die Ahr nicht zu dem Spätburgunder-Gebiet Deutschlands. Das Weingut Nelles hat großen Anteil daran und beweist das mit diesem Pinot aus Burgunder-Klonen, die in Steillagen wachsen und deren Wein im kleinen Holzfaß ausgebaut wird. Aus ihnen wurde auch in einem für die Ahr sehr schlechten Jahr ein vollkommen stimmiges Gesamtpaket: süße Brombeere, Pfeffer, Champignons, Vanille. Samtig, fruchtig, fein, kraftvoll zupackend. Hervorragendes Preis-/Leistungsverhältnis. Ja, das auch noch.
Während man die 2015er Rieslinge vom parabolspiegelförmigen Saumagen getrost beiseite lassen kann, brachte der karge Steinacker in jenem glühenden Sommer heiße, vollfruchtige Rotweine hervor. Diesem hier verpaßten die Gebrüder Rings dann auch noch die volle Breitseite der Kellerkunst: teilweiser Barriqueausbau, durchgegoren, unfiltriert - es entstand ein dicker Tropfen, voller roter Johannisbeeren und Kakao, fruchtsüß, sehr weich, mit langem starkem und heißem Nachhall. Freilich geht bei dem Jahrgang auch alle Feinheit und Seidigkeit verloren, die die Weine aus der Gegend sonst auszeichnet.
Der im 1200 l-Holzfaß ausgebaute Wein zeigt im Duft Erdbeere, Rumtopf, leicht Zimt, Vanille und florale Noten. Im Mund wirkt er dicht, vollmundig, fast schon samtig, und er ist Krebs-typisch kompromißlos trocken (seine Spätburgunder fährt Jürgen Krebs bis auf gerade mal 0,1 g/l Restzucker herunter). Feine Aromatik von nicht zu süßem Kompott aus roten Früchten, von Veilchen und Röstnoten, langer Nachgang. Ein flexibler Wein, an der großen Tafel nicht fehl am Platz und dank seiner Kraft auch etwas für die sommerliche Abendterrasse.
"Martin Schmidt" ist die Öko-Linie des Eichstettener Großunternehmens Friedrich Kiefer. Der von Backpflaume, Brombeere, Heidelbeere und Holundersaft strotzende Wein legt sich samtig, süß, knochentrocken und nicht ohne einen herben Akzent wie Flokati über die Zunge. Warmer Kalk, weißer Pfeffer, bitterer Schwarztee und etwas Zeder gleichen die buttrige Süße aus. Ein Wein zum Lutschen, zum Forschen. Robuster Begleiter rezenter Speisen, der auch dann noch gefragt sein wird, wenn Platten und Teller längst abgeräumt sind. Zu günstig für das Trinkvergnügen.
Der Wein wurde im Frühjahr 2021 geöffnet. Mit großer Tradition im Gepäck kommt dieser helle Rosé völlig untypisch daher: im Duft Nougat, Marzipan, Likörkirsche, etwas Kalk, ein Hauch Vanille und Graphit, das alles läßt vermuten, daß der Suez nicht unbedingt auf die Terrasse gehört. Im Mund kraftvoll, doch weich und ölig, üppig und nicht allzu trocken. Aromatisch Erdbeere und Rhabarberkompott, Leder, etwas Weihrauch: ein komplexer und faszinierender Rosé jenseits aller denkbaren Klischees und für Menschen gemacht, die auch im Winter bei deftiger, nicht allzu leichter Küche einen Rosé bevorzugen.
Der Wein wurde im Frühjahr 2023 geöffnet. Ein warmer Winter-Spätburgunder mit Süßkirsch- und Erdberraromen, die sich erst mit leichter Kühlung entfalten, so wie das sein soll. Durchaus weich, trotz des fetten Alkoholgehalts nicht zu schwer wirkend, erträglich süß, schön saftig, gut eingebundene Tannine und nicht ganz harmonische Säure. Nachgang nicht überwältigend, aber in Ordnung. Ein gerade noch unkomplizierter Wein mit der Tendenz zur Eleganz: schenkt großen Trinkspaß, hat aber etwas Klasse, und ist ein Vergnügen für feinsinnige Weinphilosophen und auch für jene, denen Verkostungslyrik egal ist.
Die Flasche wurde im Juli 2016 geöffnet. Im intensiven Duft reife, schon leicht alkoholische Zwetschge, trockene Küchenkräuter und Südfrüchte. Beim ersten Schluck beweist der Wein unmißverständlich seine Herkunft: nicht sofort zugänglich, im Geschmack kräftig und herb, zwetschgenfruchtig mit interessanter Eukalyptusnote. Nicht zu trocken, sehr saftig, lang und von sympathischer Reife, jedenfalls schmeckt der Wein jünger als es seine Farbe vermuten läßt. Gutes und geradezu lächerlich preisgünstiges Beispiel Württemberger Spätburgunderkunst. Wer es fruchtiger, weicher und voller - aber eben auch weniger typisch - mag, greift zur "Edition Carl Dietzsch" desselben Jahrgangs.
Die Flasche selbstbewußt mit "Nomacork" verschlossen, die Aromatik so schillernd und spannend, wie es nur gute Spätburgunder zustandebringen: im Duft schwarze Kirschfrucht, etwas Schwarztee, karamellisierte Nüsse, ein Hauch rote Beete, Kalk, im Mund reife, saftige Kirsche, Walderdbeeren, weißer Kalk, bittere Noten von Kastanie und Kräutern, zum Abgang hin Veilchen, alles gut verwoben, fein und zurückhaltend ohne große Tiefe. Schlanker Körper und trotz seiner Jugend weich mit sicherlich begrenztem Lagerpotential. Heißer Abgang, guter Nachhall. Schon nicht mehr unkompliziert, nichts für Nebenher und viel zu günstig. Für uns die angenehme Überraschung im Frühjahr 2021.
Intensiver Duft, zunächst nur Fruchtdrops, aber dann fein eingewobenes Holz, Veilchen, Zwetschgen, aus denen im Mund unreife Pflaumen werden, später Cassis, wieder perfekt eingebundene Holznoten, die dem Wein Fülle verleihen, ein Hauch von Mineralik, flimmernde Säure. Im Vergleich mit Kellers früheren Weinen, die eher der Opulenz frönten, überraschend schlank, klar und einfach zu trinken. Lediglich mit seinem Nachgang geizt der Wein etwas - ganz im Gegensatz zu seinem Preis.
Die Flasche wurde im Januar 2022 geöffnet. Von Winning Weine sind schon wegen ihrer Etiketten eine Zierde der großen Tafel. Was den Inhalt angeht, kommt es darauf an. "Violette" ist keine Freundin des sanften Adagio, sondern eher der Rocker auf dem Tisch, sozusagen "Slash" in der Runde. Im Duft Tabak, saftiger Speck, auch Popcorn, Blut. Stark, robust, sehr, sehr trocken mit herber, rotruchtiger Tiefe. Erst im Nachhall wagen sich dunkle Früchte wie Heidelbeere, Holunder und Kirsche mit etwas Fruchtsüße aus der Deckung. Das Preis-/Leistungsverhältnis ist allerdings jenseits von Gut und Böse.
Welch facettenreicher Duft: Himbeere, Liebstöckel, später florale Noten, nasser Schiefer, und immer lauert ein schweißiger Ton im Hintergrund, der noch nicht stört, sondern Spannung in die Duftwelt bringt - da wurde die Maischestandzeit gerade noch rechtzeitig beendet. Im Mund voll von reifer, saftiger roter Johannisbeere - leider kommt nichts hinzu. Trocken und kraftvoll am Gaumen, aber dank feiner Säure leicht wirkend. Langer, mineralischer und starker Abgang. 2015 war auch in Franken ein untypisch warmes Jahr - ein Rotweinjahr, von dem dieser Wein hier profitierte.
In der unteren Preisklasse ist dieser Wein eine Überraschung. Im Duft frischfeuchter, süßer Krümeltabak, Zimt, Zedernholz, fast zuviel davon, rote Johannisbeere, in Rum eingelegte Kirschfrucht, etwas Kardamom, den berühmten Damensattel glaubten wir auch zu erschmecken, auch wenn wir nie verstanden, warum "Damensattel" - Leder tuts wohl auch. Im Mund alkoholisch, kraftvoll und beinahe aggressiv. Aromatisch auf Sauerkirsche, wiederum Zeder und einen Hauch Erde beschränkt, nicht besonders zarte Säure, die das Wasser zieht und den kompakten, trockenen Wein frisch macht. Wirkt ohne große Tiefe schön lange nach. Unbedingt und im Zweifelsfall kühler temperieren. Dem großen Glas hielt der Wein nicht stand. Preis-/Leistungsgewinner.
Der Wein wurde im Frühjahr 2020 geöffnet. Für manche Winzer scheint der Ausbau im großen Holzfass schwieriger justierbar zu sein als der im Barrique. Im Duft pflaumenwürzig und floral, starke Holznote, im Mund dicht und nicht zu schwer, schöne Entfaltung des Körpers, durchaus angenehme Frucht, Marzipan, jedoch zuviel Tannin und wiederum holzige Bitternis. Gerade noch sanfte Säure, mittlerer Nachgang mit einem Hauch Vanille. Ein gefälliger Spätburgunder ohne Feinheit oder Tiefe, ein Wein zum Wegtrinken, der seine 13,5 Vol-% gut versteckt. Typischer Hiss-Wein, der auf anständigem Niveau ein breites Publikum anspricht.
Die solide, wenn auch nicht aufregende Basisqualität des Eichstettener Megaunternehmens Hiss: im Duft reife, süße Pflaume, im Mund etwas facettenreicher mit Lakritz, Oregano, satter Preiselbeere und wiederum Pflaume, alles auf der süffig-süßen Seite. Unbedingt trocken, handwerklich gekonnt, bodenständig, unkompliziert, preisgünstig - wäre es 2010, würden wir sagen: ein typischer Kaiserstühler. Nun, zum Jahreswechsel 2019/2020, haben die Basisqualitäten so mancher anderer Winzer diejenige von Hiss abgehängt.
Eigentlich ist dieser hier dem (viel) weiter oben angesiedelten Spätburgunder von Martin Schmidt aromatisch ganz ähnlich: Backpflaume, reife dunkelrote Früchte, ein würzig-kaffeebrauner Akzent, voller, durchaus samtiger Körper - soweit alles in Ordnung, aber der Männle setzt viel zu sehr auf Restzucker, und dann wird aus der recht harmonisch komponierten Etude simple Waldfruchtmarmelade. Macht er Spaß? Natürlich. Will man unkompliziert Alkohol konsumieren, nicht fünf Jahre Kellerlagerung abwarten und dem Wein überdies keine allzu anspruchsvollen kulinarischen und gesellschaftlichen Begleiter zumuten, dann nur her damit.
Sein Duft - frisch geöffnete Pralinenschachtel, Waldfrüchte, Unterholz - läßt einiges erwarten, und der Wein kann das im Mund im Wesentlichen erfüllen: sauber, schon mit einem Anflug von Tiefe und Stil, nicht zu süß und eher auf der erdigen, herben Seite, wie wenn man Kerne roter Johannisbeeren zerkaut. Insgesamt nicht eben aufregend, und die Harmonie fehlt etwas, aber für den unproblematischen Alltagsgebrauch in Ordnung. Wenn es um Spätburgunder geht, muß man andererseits nicht unbedingt auf einen Rieslingspezialisten setzen.
Ein etwas schwer zu knackender Tropfen. Die auf dem Rückenetikett überflüssigerweise erwähnten Schattenmorellen und Beerenfrüchte erschließen sich, wenn überhaupt, nur zögerlich. Vor dem Rehrücken mit Nußspätzle und Preiselbeerbirne ging der Wein in die Knie. Für sich genommen zeigte er aber Gemüsearomen sowie auf der Zunge eine interessante Note von geräuchertem Speck. Sehr herb, sehr trocken, nicht einfach zu trinken. Sollte mit besserem Jahrgang eine zweite Chance bekommen.
Und hier ist sie, die zweite Chance: diesmal mit dem Jahrgang 2007. Wiederum von recht strenger, eher animalischer Aromatik mit etwas staubigem Akzent. Braucht Essensbegleitung, um seine fruchtigen und floralen Noten hervorbringen zu können. Eigenwillig, ungewöhnlich, interessant, aber auch anstrengend. Der Waßmer hat an dem Abend das Pech, daß in unmittelbarer Nähe eine 2009er Spätburgunder Spätlese von Patrick Engist steht, und dann ergeht es ihm wie dem armen Tropf, der bei der Damenwahl immer übersehen wird.
Der Wein wurde im Frühsommer 2019 geöffnet - rund drei Jahre nach dem Kauf - und wirkt trotzdem abweisend und verschlossen. Das mag am kühlen Jahr 2013 liegen und am womöglich zu langen Ausbau in neuem Holz. Die Frucht wirkt verdeckt, der Wein ist ohne Zweifel füllig und kräftig und nichts für die feine Küche, aber die Kraft kommt von den strengen Tanninen und nicht von einer frischen Säure, die im Laufe der langen Maischestandzeit irgendwann ertrunken sein muß. Vier weitere Jahre geben wir dem Stodden noch, damit er seine Frucht endlich entfalten kann und hoffentlich auch die gebietstypische Schiefermineralik, die heute nur zu erahnen ist. Sollte auch das nicht reichen, war 2013 eben ein verlorener Jahrgang.
"Ist das Trollinger?" Die Frage, unmittelbar nach dem Öffnen gestellt, ist gar nicht so falsch: recht helles Rot, gezuckerte Dosenerdbeere, weich auf der Zunge, aber nach genügend Luftkontakt gewinnt der Wein dann an Substanz. Dabei bleibt er stets auf der süß-süffigen, etwas anspruchslosen Seite, was unser Trinkvergnügen nicht stören muß. Das Problem ist, daß seine Facetten: Süße, Frucht, sein weicher Stil, die zarte Bitternote, nebeneinander durch den Gaumen schweben, ohne jemals zusammenzufinden. Ein hochinteressantes Studienobjekt, wenn man das Phänomen "Harmonie" schmecken und verstehen will. Besser gesagt: sein Fehlen.
Ein weicher, saftiger, etwas zu bitterer Wein, erdbeerfruchtig, Kräuternoten, überraschend kurzer Nachgang oder besser: gar kein Nachgang, und in der Erinnerung bleibt von dieser angeblichen Spätlese auch recht wenig haften. Wegzutrinken wie irgendein unkomplizierter Rotwein, kann durchaus auch Trollinger sein, und das ist angesichts der herausragenden Lage, aus der die Beeren stammen, die ernüchternde Feststellung.
Auch satte 13 Vol-% helfen diesem strengen, beinahe dürren Wein nicht auf die Sprünge. Kirschfruchtig, Kirschlikör, weiche kalkige Note und Florales, kompromißlos trocken. Schöner, langer Nachhall, und das kommt durchaus unerwartet. Insgesamt ein typischer Vertreter des Bio-Trends, jedoch - und das ist entscheidend - kaum vergnüglich. Das "Bio"-Etikett mag 2016 ein Verkaufsargument gewesen sein, angesichts dessen man mit gequältem Lächeln über so manches hinwegsah. Inzwischen wurde auch diese Diskussion erwachsen und hat den Wein abgehängt.
Der Wein ist Ergebnis einer Kooperation der Weingüter Siegbert Bimmerle und Baron von Maydell. Während wir die Aromatik eines Weines ziemlich genau sezieren können, herrscht in diesem Fall der Eindruck von Vierfrucht-Marmelade vor (was ja ganz lecker ist), zum Glück eingefangen von herberen Noten. Als Nebenbeschäftigung durchaus angenehm wegzutrinken, auch wenn man anschließend nicht mehr weiß, was man da eigentlich im Glas hatte - viellicht liegt das am nicht vorhandenen Nachgang oder der Tatsache, daß der Wein vor beinahe jedem Begleiter kapituliert? Um es klar zu sagen: mißlungen ist er keinesfalls; die "Elite des deutschen Weines", so die DLG über Von Maydell-Weine, ist aber ganz woanders zu finden.
Im Duft Pflaumenmus, fast schon Pflaumenlikör, etwas süße Schokolade, sehr gefällig, sehr gut designt: genau diesen Eindruck macht er, also Sympathieabzug. Im Mund wirkt er sehr viel herber, da wird er kräuterwürzig, leicht mineralische Note, die Pflaume kullert davon und ist weg, was schade ist, denn wonach schmeckt dieser Wein nun? Stilistisch trocken, leicht und noch nicht belanglos, süffig, Nachhall in Ordnung, die Pflaume wagt sich zögerlich aus der Deckung und schon wieder: irgendwie wirkt das alles nicht echt. Außerdem schreit dieser Wein geradezu nach mehr Holz. Nur zu wählen, wenn nichts besseres zu haben ist.
Im Duft süße rote Grütze aus Kirsche und schwarzer Johannisbeere, rote Paprika, sehr intensiv, ein bißchen staubig. Im Mund kurz und knapp unangenehm: knochentrocken mit Bitternote, spitzer Säure, die zunächst ganz symathische Aromatik verfällt in eindimensionale, saure und bittere Johannisbeere. Schöner Beweis der These, daß manche Weine den Abend nicht untermalen, sondern ihn stören.
Wir brauchten etwas Zeit, um herauszufinden, was hinter der üblich rotfruchtigen Aromatik mit leichtem Holz-Touch lauerte: ein während zweier Tage immer penetranter werdender UHU-Ton, der dem Wein sauerscharfen Aceton-Duft und chemischen Beigeschmack bescherte. Verdient Wasem mit anderer Flasche eine zweite Chance? Natürlich.
Leider weist die zweite Chance ebenfalls UHU-Ton auf, zu Beginn etwas schwächer zwar, aber nicht so schwach, daß der Wein vor dem Ausguß gerettet werden konnte. Während es beim Korkschmecker TCA noch Mittel und Wege gibt, das hinzubekommen, helfen hier keine Tricks. Die ganze Charge scheint bakteriell verseucht zu sein. Habt Ihr keine Qualitätskontrolle? Setzen - Sechs!