"So darf ein Weißburgunder nicht sein!“ Diesen Kommentar einer Verkosterin fegen wir gleich mal beiseite und stellen fest: ungewöhnliche, mutige Weine sind uns lieber als mainstreamkonforme und bestenfalls in Nuancen differenzierte Sortentypizität. Daß Weine völlig anders aus dem Holzfaß hervorgehen als aus dem Edelstahltank, ist trivial, und dieser Michel beweist nur, daß vorsichtiger Holzausbau weißen Burgundern sehr guttun kann. Im Duft ein Potpourri aus Trockenfrüchten, vollreifer Birne und Quitte. Im Mund präsentiert sich der Wein jahrgangsuntypisch saftig, füllig, fast schwer, ist aromatisch gelbfruchtig und, wie es sich für die Schloßberglage gehört, leise mineralisch, und er schleppt im langen Nachgang ein Faß voller Rumtopf hinter sich her, was wir in dieser Intensität selten erlebten. Ein Alleinunterhalter.
An diesem Wein lassen sich Finessen von Lage und Ausbau studieren. Der Kalkboden der bekannten Steillage „Niersteiner Hölle“ macht den Wein stilistisch sanft und füllig (man vergleiche einmal mit feurigen Weißburgundern von Vulkanböden), gelungene Spontanvergärung sorgt für leicht schräge Akzente, der Edelstahlausbau sorgt für aromatische Transparenz und läßt die Pfirsichfrucht strahlen. Aber dann gibt Eckehart Gröhl dem Wein noch einen Kick mit wenigen Monaten Reife in neuen Barriques. Das macht ihn nicht so intensiv wie Michels Weißburgunder, bringt aber mit Weihrauch und Wintergewürzen Abwechslung in den Pfirsichgarten. Ein gelungenes, aromatisch intensives, beinahe anstrengendes Kraftpaket mit leicht unharmonischer Säure.
Duftig, und zwar viel: süße Mandel, reife Zitrone, grüner Apfel, Aprikose. Saftig, und zwar sehr: fein eingebundene Säure (es kann mit diesem Jahrgang also doch gelingen), aromatisch glasklar, apfelfruchtig, etwas Butterteig. Mit über vier Gramm pro Liter recht viel Restzucker für einen Biowein, und von seiner Frische und aromatischen Kraft her der typische Grillwein. Warum also nicht mal ein Weißer, der mit Substanz und Süße für klare Kontrapunkte zu Gegrilltem sorgt.
"Pinot Times" ist das Experimentalprojekt zweier junger Pfälzer Winzer, deren Burgunder stets schwer ausfallen, und das gilt auch für diesen holzausgebauten Luxuswein. Williamsbirnenduftig und geschmacklich fast schon in der Dessertklasse, stilistisch von außerordentlicher Feinheit. Auf der Zunge sehr weich, kompakter Körper. Nicht enden wollender Nachgang, der von der leisen Bitternote der Vanille begleitet wird. Komplexer und schwierig zu trinkender Wein. Ein Weißburgunder für Spezialisten.
Ein völlig unkomplizierter, aber hochklassiger Wein aus Landgrafs Basis-Serie. In seiner Aromatik so tief und sommerlich fruchtig wie ein guter Riesling. Der Duft von Gartenkräutern, gelben Früchten und reifem Apfel entfaltet sich explosiv. Im Mund sticht zunächst freche Säure zu, dann wird der Wein sanft, rund, weich und zeigt seine warme, sortentypische Seite. Vollmundig, wirkt lange nach und animiert ständig zum nächsten Schluck.
Der Wein wurde eines Nachts im Spätsommer 2019 geöffnet, und zwar im Hof des Weingutes. Irgendwem von den Königs fiel bei diesem ungewöhnlichen Weißburgunder die Zeile ein: „Für die Freunde der Nacht, die den Sinn des Tages suchen“. Jenseits solcher Weinpoesie handelt es sich hier um eine ölig-schwere Interpretation, apfelfruchtig mit bittersüßen Noten medizinischer Kräuter wie Salbei oder Beinwell, Marzipan aus dem bestens gelungenen Holzausbau, Kalk, etwas Wachs, schließlich der kräftige, fast wilde Nachhall. In der Tat kein im Sonnenlicht funkelnder Standardwein, sondern der Weißburgunder für helle und nicht zu warme Mondnächte.
Das feine, schmelzige und zitrusfruchtige Säurespiel macht diese Komposition vom Chardonnay-Spezialisten Groh aus. Kristallklar, mineralisch, im Abgang weich und cremig, wie man es vom Kalkboden und dem hohen Alkoholgehalt erwartet. Gelbe Früchte, jedoch nicht ohne zarte Bitternote zum Schluß, also nicht bloß süß. Jung zu trinken, dann schenkt die Frische dieses unkomplizierten Weines zusätzliches Vergnügen. Gelungenes Beispiel einer an sich überflüssigen Kombination.
Wer erfahren möchte, was das ungemein leckere Kuhkaramell wohl mit Wein zu tun haben mag, möge diese cremig-saftige Interpretation vom Endinger Weißburgunderspezialisten Knab probieren. Über 35 Jahre alte Reben stehen auf der dicken Lößdecke der Lage Wihlbach, wo bereits zu Römerzeiten Wein angebaut wurde. Der Knab wurde im großen Holzfaß und im Barrique ausgebaut und entwickelte sich zu einem fruchtigen, kompakten, doch eleganten und rassigen Wein: Quitte, süße Limette, weißes Apfelfleisch, etwas sonnengetrocknete Kräuter, nur ein salziger Hauch in der Aromatik, und: im Duft wird in eine Handvoll köstlich-cremiges Kuhkaramell geschnuppert.
Ein frisch-spritziger, unkomplizierter Durstlöscher mit erheblicher Trinkgeschwindigkeit. Prägnante, aber gut eingebundene Säure. Nicht zu süße Aromatik von grüner Melone, Birne, Bitterorange, einem Hauch Haselnuß, Kräutern, Kalk. Und wenn die Säure im Mund rundgelutscht ist, wird der Pfannebecker weich, beinahme cremig und verabschiedet sich nicht zu schnell. Nochmals ein gelungenes Beispiel, hier aus einer Gegend, die nicht unbedingt wegen ihrer Weissburgunder berühmt ist.
Dieser saftige, speichelziehende Weissburgunder beeindruckt mit exotisch-südfruchtiger Duftwelt, aber auch mit ganz bodenständigen Nüssen und Äpfeln sowie einer feinen mineralischen Note. Im Mund weder süß noch besonders spritzig, dafür schmeichelnd sanft, reifer roter Apfel, guter Nachhall, idealer Aperitiv zum Beginn des Abends. Der Thürkind war bei unserer Probe im Januar 2020 erst wenige Wochen auf der Flasche, und seine Jugend war überhaupt kein Problem.
Wenn man aufmerksam hineinschnuppert, merkt man diesem Tuniberger seine Spontanvergärung an, deutlicher hingegen macht sich das lange Hefelager bemerkbar, auf das gelbfruchtige Noten und ein schöner floraler Akzent von Maiglöckchen hindeuten. Schließlich verrät die warme, kalkige Note auch etwas über das Terroir. Insgesamt haben wir einen blitzsauberen, transparenten Wein im Glas, der ebenso charmant wie robust ist und mit präsenter Säure, Zitrus, Apfel und Birnenschale eine Ahnung von "Sommer" in den verregneten Frühling 2021 bringt. Alles andere als tiefgründig oder facettenreich, aber nochmals: blitzsauber.
Ein satt orangen- und blütenduftiger, puderzuckriger Weißburgunder, im Mund voll, saftig und weich, fast cremig mit feinen Säurespitzen, zunächst Orange, die sich in Richtung Kumquat wandelt, Melone, Butterteig, Rumrosinen, auch getrocknete Kräuter. Im mittleren Abgang alkoholstark, heiß, kräftig. Für das Erlebnis muß man jedoch tief in den Wein sozusagen hineinhorchen und sich jeden Akzent geduldig und mit feiner Nase erarbeiten, sonst wirkt der Nägelsförst ermüdend, und dafür ist sein Preis-/Leistungsverhältnis einfach zu schlecht.
Die Magnumflasche wurde im Januar 2021 geöffnet. Man kann darüber streiten, ob Württemberger Weißburgunder in der Magnum eine wirklich gute Vermarktungsidee ist. Die Kundschaft findet das offenbar nicht, denn die mit rund 26 Euro ab Hof selbstbewußt bepreiste Flasche fand sich für 4,99 auf der Resterampe des Getränkegroßhändlers. Im Duft zunächst pure Aprikose, dann Marillenlikör, im Mund entfaltet der Corpus sich schön, wiederum purer Marillenlikör, der sich mit zunehmendem Luftkontakt in Richtung Ananas wandelt. Insgesamt jedoch eintönige Aromatik. Fein perlende Säure, dicht, vollmundig, und diese Charakteristik vermuten wir bei einem Chardonnay, sicher nicht bei Weißburgunder. Überraschend lange anhaltend. Schade, daß dieser sauber gemachte Wein wie "Winzerstolz" verschleudert wird.
Über Kalifornien heißt es, sogar ein Gorilla könne dort guten Wein machen. Ähnliches ließe sich vom Kaiserstuhl und seinen Weißburgundern behaupten. Es mag diesem wenig inspirierenden Jahrgang geschuldet sein, daß ein Weingut mitten im Kaiserstuhl diesen wenig inspirierenden Wein hervorbringt. Aromatisch fehlt es an nichts, stilistisch ist er auf der eher feinen, klaren Seite, aber die Entfaltung im Mund, die Überwältigung der Sinne, das Verlangen nach dem nächsten Schluck - das alles bleibt aus. Vielleicht ein Wein für Kartoffelchips und Abendkrimi.
Aus dem breiten Angebot an Kellers Weißburgundern ein streng mineralischer, fast bitterer Vertreter mit sehr wenig Restsüße und noch weniger Bouquet, vielleicht etwas Aprikose und Birne. Zurückhaltende Säure, alles hart an der Grenze zur Langeweile. Mag als Begleiter extrem filigraner Speisen, die bereits in der Sauteuse zu zerbrechen drohen, taugen. Unserer Meinung nach schlechtes Preis-/ Leistungsverhältnis.
Im Duft Puderzucker, Birnentarte, im Mund Orangenbonbon, überreif-süßer Apfel, Minze, durchaus kompakt und kompromißlos vordergründig. Massentauglicher mainstream ohne Eigenständigkeit, der nicht wehtut und auch nicht begeistert, dem Grauburgunder aus derselben Linie jedoch vorzuziehen ist.
Warum sollte man Weißburgunder trinken, der nicht Weißburgunder sein will, aber auch nichts anderes sein kann. Ein sauberer, aber dank so gut wie gar keiner belebenden Säure ermüdend gleichförmiger Wein, nicht besonders süß, nicht allzu trocken, erträglicher Alkoholgehalt, ausgesprochen scheue Aromatik, kein Akzent sticht prominent hervor. Dafür ist der Neumer empfindlich gegen Erwärmung, die ihn zwar nicht fruchtiger, aber breiter werden läßt. „Demeter“- und „Vegan“-Etiketten dürfen nicht Selbstzweck sein. Wenn die Grundlage schlicht langweilig ist, erweist man jener Philosophie einen Bärendienst.
Die Genossenschaft "Winzer vom Silberberg" ist die Kaiserstühler Außenstelle der "Ersten Markgräfler Winzergenossenschaft Schliengen-Müllheim". Den Schatz im Silbersee oder so haben wir mit diesem Weißburgunder leider nicht im Glas. Grüner Apfel, flüchtig und nicht wiederkehrend, leichter Nuß- und schwerer Bitterton, letzterer penetrant und nicht wegwollend, insgesamt alles schnell zusammenfallend. Im Abgang salzig, trotzdem flach, irrelevant, uninteressant.