Seit jeher verstanden es die Adelmanns, Innovation und Tradition miteinander zu verheiraten. So blickt das Weingut auf eine jahrhundertelange Geschichte zurück, ist aber Pionier ebenso des Barrique-Ausbaus wie auch der Komposition hochwertiger Rebsorten zu Cuvees, die heute zu den anspruchsvollsten Deutschlands zählen. Vor allem an ihnen kommt man nicht vorbei, wenn man ein umfassendes Bild hochklassiger Württemberger Weinkultur gewinnen möchte. Adelmanns Rotweine waren lange Zeit von schwerer, französischer Art. Seit 2012 scheinen sie mit dem Generationswechsel und neuer Kellerleitung an Leichtigkeit zu gewinnen und legen das Französische zugunsten des Schwäbischen ab - was bei Rotwein durchaus eine Empfehlung sein kann. Adelmann bleibt aber auch Paradebeispiel für die gekonnte Vermarktung guter Tropfen zu saftigen Preisen: wer adligen Wein aus der Schaubecker Märchenburg erwerben will, darf etwas mehr investieren.
Rund 24 ha sind mit einer Vielzahl von Rebsorten bepflanzt. Spezialität ist nach wie vor der Lemberger, der auch Grundlage der bemerkenswerten Cuvees ist. Aus dem mächtigen Programm kommentieren wir nur einen Ausschnitt, der den Stil der Weine wiedergibt. Unsere Beschreibungen dürften außerdem klarmachen, daß die Weine Zeit brauchen und Zeit verdienen. Sie zu jung zu trinken heißt Geld zum Fenster hinauszuwerfen.
Irgendwann, es muß mit dem Jahrgang 2013 gewesen sein, gaben wir es auf. Selbst klingende Namen wie "Süßmund" oder "Das Lied von der Erde" täuschten nicht über plumpe, fade oder langweilig glatte und hier wie dort absurd bepreiste Weiße hinweg und bestätigten nur die Tatsache, daß man in Württemberg so manches finden mag, aber bestimmt keinen guten Weißwein. Auch der Generationswechsel änderte daran lange nichts. Dann kam das Frühjahr 2022.
Hierzulande horcht man noch auf, wenn grüner Veltliner in einer Weinliste auftaucht, vor allem, da Adelmanns weißes Programm nie besonders mit Neuigkeiten gesegnet war. Und dann haben wir also den 2021 Grüner Veltliner trocken VDP(R) Ortswein im Glas. Kühl. Süße gelbe und grüne Früchte in der Aromatik, vor allem Mirabelle und saftige Birne, einer von jener Art, nach deren Genuß Bluse oder Hemd vollgetropft sind. Ein laktischer Ton zudem. Perfekt eingebundene Säure, nur ein mineralischer Hauch und eine Prise dessen, was man in Österreich "Pfefferl" nennt. Nicht unbedingt schlanker Körper, jedoch frisch, sympathisch, animierend. Heilbutt oder Gemüsesoufflé verlangen nach diesem Wein und kitzeln dessen Fruchtsüße heraus. Eine Kartoffelsuppe mit Estragon, Kürbiskernöl, geröstetes Brot - her damit! Der Wein schielt auf die Smaragd-Klasse - nun, wir werden sehen, genügend Substanz für Reife hat er jedenfalls. Ein weiteres highlight der 2020 Riesling "Neben Frank". Zu übersehen sind Adelmanns Weine im Regal dank gelungenen Brandings ohnehin schwer, aber diese Flasche gleich gar nicht. Wappenflasche, natürlich, aber pinker (und schwer loszuwerdender) Wachsverschluß sowie pink-schwarzes Etikett stechen ins Auge und machen klar, daß dieser Riesling nichts mit mainstream zu tun hat, sondern Ergebnis fortgeschrittener Kellerkunst ist: Beerenselektion, langer, behutsamer Holz- und anschließender Barriqueausbau - sehr feine gelbfruchtige und florale Süße, schmelzig, mild und sehr animierend für einen Württemberger Riesling, beinahe süffig im positivsten Sinne, später tief und lange nachhallend. Das „Neben Frank“ übrigens verrät, wo die Parzellen für diesen Wein liegen: neben denen des Nachbarwinzers Frank. Seit langem mal wieder eine echte weiße Spitze von Adelmann. Bei alledem: „Neben Frank“ wie auch der Grüne Veltliner sind zurückhaltend bepreist oder besser: ihren Preis absolut wert.
Vor einigen Jahren schrieben wir: "In Adelmanns rotem Programm, diesem Labyrinth der Produktlinien, geht man verloren", und man kann Felix Adelmann nicht genug danken, daß er die Wirrnis beendete. Nun gibt es einfach Weißweine, und es gibt Rotweine, dazu das übliche Nebenher, und wer weitere Orientierung braucht, findet sie beim Blick in die Preisliste. Wieso man als VDP-Mitglied immer noch nicht deren Konzept konsequent übernimmt, bleibt Adelmanns Geheimnis.
In der Linie "Schwarzer Loewe" versammeln sich Adelmanns Pendants zu den "Großen Gewächsen". 2006 "Der schwarze Loewe" Lemberger Barrique trocken und seine 2007er und 2009er Brüder - tiefdunkle Tropfen mit Schwere und Tiefe, trotz ihrer Kraft von überraschender Finesse im Mund - die jüngeren feiner und akzentuierter, der 2006er legt sich wie ein samtener Teppich über Gaumen und Bewußtsein. Der 2008er aus diesem verregneten, fäulnisgeplagten Sommer ließ immer schon Substanz missen, gewann im Spätherbst 2018 aber immerhin an Ehrwürdigkeit - seinerzeit hätte kaum jemand darauf gewettet, daß dieser Tropfen zehn Jahre übersteht. 2008 Lemberger „Der Loewe von Schaubeck“ trocken: füllige Aromen, endloser Nachgang, er bekam im Herbst 2011 seine Tannine langsam in den Griff und war im Winter 2021/2022 zu einem außergewöhnlich tiefen, saftigen Tropfen gereift. Auch der teilweise in neuen Barriques ausgebaute 2012er war gelungen: sehr weich und seidig auf der Zunge, herbe, rote Früchte und bittersüße Noten aus dem Holzausbau - den beherrschen die Adelmanns in Perfektion -, gerade noch erträgliches Preis-/Leistungsverhältnis. Neue Löwen gibt es hin und wieder auch, zum Beispiel den 2015 "Der rote Löwe" Lemberger: tief, füllig, recht weich und für Adelmann ungewöhnlich einfach zu trinken, sprich: man beließ dem Roten ein Quentchen Restzucker. Wildkirsch- und kräuterfruchtig, pfeffrig-scharf.
Wie beim Riesling "Neben Frank" gibt es wechselnde, aufwendig produzierte Projekte, zum Beispiel den 2008 Lemberger "N" trocken: stark, schwer, weich, vanilleduftig, würzig mit Pfeffer und Muskat, fruchtig mit Erdbeere und sich langsam entwickelnder, reifer Schwarzkirsche. War leider nach nur einer Saison aus dem Programm verschwunden. Oder den 2015 Lemberger "The Ace of Spades" - ein Hobbyprojekt von Felix Adelmann aus nach Amarone- oder Strohwein-Art getrockneten Beeren, und allein der exorbitante Preis verhinderte die Verbreitung dieses überextrahierten Weines. Und dann besitzt der Winzer doch die Frechheit, 2023 mit zwei weiteren Tropfen dieser Machart zu überraschen, deren Preisgestaltung wohl nur mit der in diesen Zeiten grassierenden Inflation zu erklären ist: 2019 "Joker - Dry aged Rosé" und 2019 Ace of Spades, beide Lemberger. Ihr Marketing: nicht jedermanns Geschmack und nichts weniger als genial, und über ihre Machart lassen wir Felix Adelmann selbst sprechen: "Der Narr gewinnt immer. Er ist der Trumpf der Trümpfe. Unterwirft sich keiner Norm. Ist nicht nur Spaßmacher, sondern auch kritischer Berater der Könige. Er ist sorglos, unbeschwert und weise. Die „wild card“ die alles möglich macht. Er ist: Der Joker. Die Trauben wurden Mitte Oktober 2019 geerntet und über mehrere Monate in einem trockenen, gut belüfteten Raum auf Netzen eingetrocknet. Durch das Verdunsten des Wassers in den Trauben entsteht ein konzentrierter Wein, der durch seine Intensität beeindruckt, aber auch Finesse und Balance bietet. Nach der Trocknung wurde der Wein mit kurzer Maischestandzeit vergoren und 1 Jahr im kleinen Holzfass ausgebaut. Danach folgten 3(!) Jahre Flaschenreife. Das Ergebnis ist ein beeindruckend kräftiger Rosé, der aber keinesfalls erschlägt. Endlich ein Rosé der auch Männern taugt!" Zitat Ende.
Und was sagt Felix Adelmann zum "Ace of Spades"? "Nicht zu reif gelesen, wanderten die rigoros selektierten Trauben wieder für einige Monate in unsere Tenne auf Burg Schaubeck, wo sie langsam bei besten Bedingungen trockneten. Danach wurden die aufkonzentrierten Trauben im offenen Holzcuve vergoren und anschließend für 3 Jahre in Barriques gepflegt. Gefüllt im Spätherbst 2022 reifte der "Ace of Spades" seitdem auf der Flasche und steht nun am Anfang seines langen Lebens. Bei seinem enormen Reifepotenzial bis 2050 empfehlen wir ihn für die nächsten 10 Jahre mehrere Stunden vor Genuss zu karaffieren." Zitat Ende. Mit dem 2015er können wir den 2019er nicht vergleichen, da wir keine Flasche mehr davon besitzen. Aus unserer Erinnerung und den Notizen von damals meinen wir aber zu schmecken, daß der 2019er feiner, geschliffener, vielleicht tiefer, sicher aber nicht dermaßen Port-artig wirkt, daß nur noch Glycerin und Zucker am Gaumen kleben. Mit seiner Tiefe, dem Alkohol und der aromatischen Gewalt pechschwarzer Beeren und viel Süßholz halten bestenfalls noch Weine wie Lergenmüllers "Black Ox" mit, die den Genießer im Handumdrehen schaffen. Insgesamt bekommen wir mit Joker und Ace zwei Rock-Weine der allerersten Klasse.
Während die Basis anderer Weingüter in der Regel gut zugänglich ist, sprich: auf der süßeren Seite steht, führt Adelmann seine (manchmal knochen-)trockene Philosophie in seiner Reihe "Brüssele" gnadenlos fort. Der 2011 Brüssele Lemberger trocken macht klar, daß Brombeeren und Kirschen auch mal herb, säuerlich und mit nur subtiler Fruchtsüße ausfallen können. Die 15er und 16er Jahrgänge haben wieder etwas mehr Restzucker, ohne die Aromatik zu verkleistern. Der preislich klug positionierte 2018er Lemberger "Im Holzfass gereift", am verschneiten Ostermontag 2021 geöffnet, ist mit seiner dunkelroten Frucht, seiner Tiefe und Samtigkeit eine Basis, die andere Winzer gerne als Spitze hätten. Die kirschduftig-kräftigen Trollinger schließlich schreiben Tradition und Klasse dieser Trollinger-Gegend nahtlos fort (der 2017er Trollinger trocken bekam jedoch zu viel Holz ab). Der 2020er war uns im Frühsommer 2022 zu hart und kantig und zeigte erst im Spätherbst 2023, was an Tiefe in ihm steckt.
Die Vignette aus Lemberger, Spätburgunder und Cabernets markierte stets die Spitze der Adelmann-Cuvees, uns war sie jedoch immer zu massiv, zu fordernd und anstrengend. Mit dem zedernduftigen 15er Jahrgang bewegt sich Vignette in die schlankere und vielleicht facettenreichere Richtung, aber auch dieser Wein läßt sich erst in fünf oder besser: zehn Jahren beurteilen. Inzwischen halten wir uns an die reifen Jahrgänge unseres Favoriten, des treffend benannten Herbst im Park aus den gleichen Rebsorten, in der Vergangenheit war auch Dornfelder dabei. Der 2009er zeigt im Duft Waldbeeren, Schokolade, Pilze sowie leicht Vanille; im Mund stark, trocken, lange anhaltend, Schokolade, schwarze Beeren, nicht zuletzt der scharfe Akzent von Herbstlaub. Wer hiervon keine Vorstellung hat, könnte an einem Novembernachmittag einmal bei Nieselregen durch Burg Schaubecks Garten spazieren und sich anschließend in der Vinothek ein Glas "Herbst im Park" reichen lassen. Sein 2011er Pendant scheint uns in der Tertiäraromatik noch vielfältiger mit Karamell, dunkler Schokolade, Nüssen; etwas süffiger, nach wie vor meisterlich gemacht. Das Niveau hält auch der 2012er mit seiner tour d`horizon durch Fässer aus ungarischer und französischer Eiche; aromatisch machen sich die Cabernets stärker bemerkbar, auch scheint der Wein trotz seiner Kirsch- und Pfeffernoten etwas blumiger als seine Vorgänger, perfekt eingewobene Tannine, saftig, samtig. Der 2015er war im Spätherbst 2017 noch völlig verschlossen, wirkte aber überraschend und ganz untypisch leicht. Welches Potential diese Weine haben, beweisen zwei 2007er - einer im Herbst 2015, einer im Herbst 2017 geöffnet: dicht, kompakt, komplex, köstlich herbfruchtig und hochklassige Begleiter zu Pilzen, Wild und den dunklen Soßen, kurz: zu allem, was an der herbstlichen Küche so viel Spaß macht. Im Frühjahr 2022 schließlich probierten wir den aktuellen 2017er, den wir jedoch kurz und knapp als "dürr" empfanden.
Und dann kommen wir zur altberühmt und berüchtigten Württemberger Cuvee: dem Trollinger-Lemberger, hier dem 2020 Trollinger mit Lemberger, geöffnet im Herbst 2023. Ob man ausgerechnet "TL" von einem Weingut der Klasse Adelmanns trinken muß? Unbedingt: recht komplexer, intensiver Duft nach Sauerkirsche, Lavendel, zartem Holz- und ganz leicht animalischem Ton. Im Mund cremig, füllig und kraftvoll sauerkirschig mit einer Ahnung von roter Johannisbeere - genau richtig für die deftige Regionalküche, welche die zurückhaltende Süße hervorkitzelt, animierend mit sehr feiner Säure, recht lange nachhallend, später mit leichter Bitternote. Tatsächlich einer der wenigen ernstzunehmenden Trollinger-Lemberger!