Ab Anfang der 1990er Jahre baute der garagiste Albrecht Schwegler auf nicht einmal zwei ha Rebfläche kleine Mengen verschiedenster Rebsorten an, aus denen er Cuvees komponierte, die sich zu den besten Württembergs mauserten. Seit 2019 führen Julia und Aaron Schwegler die Philosophie des Vaters fort: ökologische Bewirtschaftung, Ausbau vorwiegend in kleinen Barriques oder großen Tonneaus, und die Klassiker des Hauses - die Spitzencuvees Granat, Saphir und Beryll - blieben selbstverständlich: muskulöse Weine von außerordentlicher Duftigkeit, die mangels Masse immer schwierig zu bekommen waren und ohnehin nur in klimatisch günstigen Jahren erzeugt wurden. Inzwischen wuchs die Rebfläche auf sieben ha, und das Programm wurde in eine geschmacklich und preislich unkomplizierte Linie sowie die barriquegereifte Spitze unterteilt. Zu der zählen die zuvor genannten Cuvees sowie ein roter und zwei weiße Burgunder.
Beryll und Saphir sind dunkle, schwere Weine, wobei der in gebrauchtem Barrique ausgebaute Beryll etwas leichter scheint als Saphir. Angeblich sind beide aus Lemberger und Zweigelt gekeltert, vielleicht spielen auch noch andere Rebsorten hinein, aber wenn man nur grobe Angaben macht, bleibt bei der Komposition mehr Spielraum übrig. Den Aufwand, den Schwegler seinen Cuvees zuteil werden läßt, schmeckt man: die Rebsorten werden getrennt ausgebaut und erst nach mehreren Jahren Reife zur Cuvee komponiert. Beryll und Saphir sind nicht einfach zu trinken und eher als Begleiter zu hochklassigen, nicht zu feinen Speisen zu empfehlen denn als Alleinunterhalter. Nach wie vor benötigen die Rotweine viel Zeit, um zu reifen. Ein im Frühsommer 2016 geöffneter 2012er Beryll zum Beispiel wirkte viel zu jung - die nächste Flasche ist in vier Jahren dran. Ein 2011er Saphir dagegen überzeugte im Sommer 2017 mit dichter Struktur, samtigem Körper und delikaten Noten aus dem Holzausbau: Zimtstangen und Zigarrenkiste. Auch zehn Jahre der Lagerung sind kein Problem, was vor allem für den Granat (Zweigelt, Merlot, Lemberger, Syrah) gilt. Ein fruchtiger, sehr saftiger Wein mit fester Gerbstoffstruktur; Schweglers Spitzenprodukt zu einem Preis, der guten Franzosen nahekommt. Vorrangig von allen Beeren geprägt, die im Wald zu finden sind.
Ganz unprätentiös zeigt sich dagegen der sogenannte Alltagswein in der Literflasche mit dem Namen „dr Oifache“. Einfach ohne Jahrgangsangabe und Sortenbezeichnung (angeblich hoher Trollingeranteil, wir vermuten auch Lemberger), und ab jetzt wird es kompliziert. Württemberger Art spiegelt sich im „dr Oifache“ hervorragend wider: erdig, stark, geradeaus, etwas unzugänglich. Dank spürbarer Säure wirkt er kantig, schmeichelt nicht, fordert heraus. Ein robuster Wein - widersteht der deftigen Küche, dem Sauerkraut, der Bratensoße und drängt energisch alles Leichte vom Tisch. Er ist anstrengend und überhaupt nicht einfach, verlangt Aufmerksamkeit, bietet durchaus Komplexität und ist ein eigenwilliger Vertreter seiner Klasse. Nicht jedermanns Sache.
Achat ist der Name für zwei Weiße, einen trockenen und einen feinherben. Letzterer ist ein sehr süß ausgebauter Kerner, eindeutig ein Dessertwein; reich, ohne fett zu sein und durchaus komplex mit vielfältigen Aromen von gelben Früchten. Etwas Säure hätte ihm sicherlich zu mehr Charakter verholfen. Aber wer einen säurereichen Wein sucht, wird bei Schwegler auch fündig: mit dem sprechenden Namen Hagelschlag 30.05.2008 schuf Schwegler einen aus der Not geborenen Blanc de Noir, der durch heftige, grüne Säure beherrscht ist. Nichts für empfindliche Mägen, ein Totschläger. Erst mit dem zweiten, dritten Schluck offenbaren sich das gewaltige Ananasaroma und der Anklang von Honigmelone mit starkem Körper, was uns ständig zum Glas greifen läßt. Nicht zuviel Alkohol: der Balanceakt zwischen Leichtigkeit und Körper gelang. Entfernte feine Bitternote. Ein wirklich erfrischender Terrassenwein, nur leider nicht mehr zu bekommen. Schließlich öffnen wir im Sommer 2017 den 2014 First Steps Rock'n Roll und zwar die Nummer 381 von 1111 nummerierten Flaschen samt Unterschrift des Meisters. Klarer Chardonnay-Schwerpunkt mit Riesling und Grauburgunder, barriquegereift. Im Duft etwas unspezifisch, im Mund überraschend herb, Williamsbirne, Orange und eine vorherrschende Bitternote, die an Heu erinnern mag. Langer Nachhall. Saftiger, dicker, Chardonnay-typisch weicher Wein, mit dessen seltsamem Geschmacksbild man ringen muß. Braucht sehr lange, sprich: viel Sauerstoff, bis er sich entfaltet, aber warum soll man nicht auch einmal einen Weißwein dekantieren. Völlig mißlungene Namensgebung für einen Wein, der alles andere als flott und rockig daherkommt, sondern an den Stil schläfrig-fetter Übersee-Chardonnays erinnert, jedoch ohne deren Frucht zu besitzen. Das alles und ein inakzeptables Preis-/Leistungsverhältnis führt uns zurück zu Schweglers Rotweinen und der Erkenntnis: weiße Württemberger sind woanders besser.