Zum 1601 gegründeten Weingut gehören rund 20 ha dreier uralter und berühmter rheinhessischer Lagen. Das Programm ist klar gegliedert: Gutsweine eher einfacher Art, Orts- und Lagenweine sowie "Große Weine", und muß es bei der enormen Auswahl auch sein. Über 40 Positionen zuzüglich Schaumweinen bietet Keller auf seiner Weinliste und das in selten zu findender Vielfalt: Riesling natürlich, Grau-, Weiß-, Früh- und Spätburgunder und dann - unter anderen - Portugieser, Saint Laurent, Syrah, Merlot, Cabernet Sauvignon, Lagrein, Viognier, grüner Veltliner, Chardonnay, Scheurebe, Sauvignon blanc... Obwohl man immer fragen kann, wer grünen Veltliner vom Rhein haben muß.

Weißweine

Von den Gutsweinen probierten wir nur den 2012 Riesling trocken aus der Literflasche. Ein trotz seines lächerlich niedrigen Preises vollkommen ernstzunehmender und hochvergnüglicher Terrassenwein, vom blumig-fruchtigen Riesling-Typ, nicht vom strengen mineralischen. Die Brücke zur Mineralität schlägt die 2012 Pfeddersheimer St. Georgenberg Riesling -S- Spätlese trocken aus der Serie der "Großen Weine". Fruchtig, stark: im Duft weißer Pfirsich, Haselnuß, nasser Schiefer. Im Mund saftig, dank langem Hefelager weich, präsente, aber feine Säure, frischer Apfel, Aprikose, Zitrus, alles abgerundet durch eine leise mineralische Bitternote, die den Genießer streichelt (ein Von Racknitz-Grand Cru hätte ihm aufs Maul gehauen). Nachgang lang anhaltend, aprikosenfruchtig, knochentrocken. Wir fragten uns 2014, wohin der -S- sich wohl in vier oder fünf Jahren entwickeln könnte... Im Spätsommer 2019 zeigt der inzwischen goldene Wein unverkennbaren Firn, der aber keinesfalls stört. Säure ist immer noch präsent, nun fein geschliffen, köstlicher Honigduft, Grapefruit, Bienenwachs, Zitronenmelisse, schieferbittere Mineralität mit einem Schuß Aprikosenlikör. Extrem langer Nachhall, wachsherb und süß wie braun werdender Apfel. Der 2012 Weißburgunder ist ein Wein mit Suchtpotential im positivsten Sinne. Denn er hat den - wir zitieren Mick Jagger - "down-to-earth-flavour". Mit seiner Sanftheit und Süße ein Tropfen, an dem man hängen bleibt: füllig, aber nicht anstrengend, wenig Säure ohne langweilig zu wirken, saftig, aber nicht fett. In seiner Aromatik verführerisch gelbfruchtig mit leisen Kräuternoten, die sortentypisch warmen Töne wie Butterkeks fehlen nahezu völlig. Süßer als der Kaiserstühler Typus, im Ansturm der Aromen jedoch zurückhaltender. Schließlich noch zum 2012 Chardonnay -S- trocken: daß Markus Keller das Prädikat "trocken" eigenwillig interpretiert, ist mittlerweile klargeworden. Auch der in Edelstahl ausgebaute Wein wird bestenfalls im Nachgang etwas strenger, ist ansonsten auf spannende Weise zitrus- und bananenfruchtig, nicht zu süß, saftig und wirkt mit seiner selbstbewußten Säure lebendig und frisch.

Rotweine

Auch die Roten sind fruchtige Typen, und selbst massive Sorten wie der Cabernet Sauvignon sind nicht mal in ihrer Jugend kantig, hart oder besonders tanninbetont, sondern weich, manchmal fast pudrig, dabei tief und vollmundig. Ein Beispiel: der 2012 Frühburgunder -R- trocken. Der wirkt im ersten Moment punschig, gewinnt aber schnell an Klasse, sofern man ihn unterhalb Zimmertemperatur hält. Im Duft Waldbeeren, Süßkirsche, Liebstöckel, Schiefer, Lehm, im Mund samtig, sehr fruchtig; Marzipan und Vanille kommen hinzu. Ein kompakter, kräftiger, aber nicht schwerer Wein. Trinkt sich zunächst ganz unkompliziert weg, erst im langen Nachgang wird er trocken, und dieses Spiel scheint uns für die Keller-Weine typisch zu sein. Bei den französischen Sorten zogen wir den 2012 Cabernet Sauvignon dem sehr lieblichen Merlot -R- vor: 12 Monate im Barrique gereift, was ihn tief macht, aber nicht mit Toast und Vanille überfrachtet. Cassis, viel Lakritz, später Tabak, Keller-typisch mit den Tanninen sehr sparsam, würde deshalb auch am späten Sommerabend auf die Terrasse passen, wenn man die Runde noch mal anheizen will.

Die sanfte Machart der Keller-Weine aus Worms provoziert geradezu den Anbau des rauhen, bitteren Südtirolers namens Lagrein. Der wird mit diesem Stil nie seinen Weg in den mainstream finden und erspart sich so das Schicksal des Cabernet Sauvignon. Wir erinnern uns an den geschmacklich sehr herben Lagrein der Gebrüder Mathis aus Merdingen, Keller bleibt mit dem 2012 Lagrein -R- trocken seiner Linie aber treu: dunkel, beerenfruchtig und tabakwürzig, süß mit dieser sortentypisch erdigen Bitternote, samtig und nicht mehr unbedingt leicht, aber dank feiner Säure frisch wirkend. Ein anspruchsvoller Wein mit hervorragendem Preis-/Leistungsverhältnis.