Seit 1983 liefert Horst Konstanzer zuverlässig Weine der Spitzenklasse, die - wie der Meister selbst - konsequent und geradeaus sind, die jedoch eher dem fortgeschrittenen Geschmack gefallen. Auf rund 11 ha stehen überwiegend weiße Burgundersorten, dann Spätburgunder sowie ein Potpourri von Muskateller, Silvaner und seit neuestem die pilzwiderstandsfähige Souvingier gris. Das übersichtliche Programm ist nach Burgunder Art in Grosse Lage, Erste Lage sowie Ortsweine gegliedert, wobei das Vulkanverwitterungsgestein den Spitzen vorbehalten bleibt, und die einfachen Ortsweine vom Lössboden stammen.
Der 2010 Grauburgunder Kabinett trocken verkörpert die Dominanz der Konstanzer-Machart: durchgegoren, kräftig, unverfälscht, aber mit feiner, glasklarer Frucht, die letztendlich strahlt. Ein rauer Wein, vielleicht einer für Männer, die auch einen Laphroaig 15 yrs zu schätzen wissen. 2009 Grauburgunder Spätlese: apfel- und melonenfruchtig, saftig, schaufelt ordentlich Salz auf die Lippen, leichter, schlanker wirkend als er tatsächlich ist. Zum Aromenspiel gesellt sich köstliche Cremigkeit.
Und dann die Muskateller: wir erinnern uns noch Jahre später an diesen Appetitanreger namens 2009 Muskateller: im Gegensatz zum Stereotypen erzeugte Konstanzer einen tiefen, starken, unüblich trockenen, säurereichen, subtil süßen und extrem aromatischen, lange nachhaltenden Muskateller (mehr Adjektive fielen uns durchaus ein). Die 2011 Muskateller Spätlese trocken hielt die Klasse mühelos: erfrischend kühl, aromatisch ausgewogen - zwar süß-fruchtig, etwas Salz glich perfekt aus, federleicht und vollmundig, stark und aufbäumend im Nachgang. Im Frühjahr 2016 war der Wein ausgereift: im Duft fast süß und weich wie Übersee-Chardonnay, im Mund wechselten sich kräftig-badische, fast erdige und fruchtig-exotische Noten ab. Die letzte Flasche öffneten wir im Spätherbst 2020. Die Jahre konnten den Wein nicht zähmen. Überraschend nun seine kräuterigen Akzente, Rosmarin vor allem. Im direkten Vergleich mit einem munter-frischen 2017er war er komplexer, schwerer, brauchte viel Zeit, um seine Frucht zu entfalten, war schwieriger zu trinken. Deshalb geriet an jenem Abend unser Zeitmanagement durcheinander, und der ehrwürdige Wein mußte die Gans mit Grünkohl und Thüringer Knödeln aushalten. War überhaupt kein Problem für ihn und uns. Der 2022 Muskateller Winklen trocken verdient im Herbst 2023 auch noch etwas Reifung, aber wer nicht warten mag, nimmt ihn als Aperitif und Begleiter der asiatischen Küche.
Vom wilden, feurig-rauchigen 2002er über den fruchtig-fetten 2007er oder den glasklaren, feingeschliffenen 2011er sind Horst Konstanzers Chardonnay ganz eigene Qualitäten. Die 2012 Chardonnay Spätlese trocken ist ein seltsam warm wirkender Wein, heimelig, schmeichelnd, in der Struktur filigran, duftig, mit Nüssen, Brioche, warmem Teig, unterschwellig kräuterig-mineralischem Akzent. Nicht zu glatt: auf der Zunge frisch, im langen Nachgang erfrischend, Gesamteindruck: Eleganz. Spielt damit in der Liga der schlanken Burgunder, etwa aus Meursault, läßt sich nur unkomplizierer genießen. Antipode des buttrigen, floralen und fruchtigen Überseetyps, designed für feuchte Hitze und Cajun-Küche. Der 2013er präsentierte sich im Frühjahr 2015 natürlich kräftiger und noch ungehobelt. Aromatisch nicht so vielfältig und mehr karamell- und zitrusgeprägt, aber feine Brioche- und Butternoten fehlten nicht - auch nicht der saftigen 2017 Chardonnay Spätlese trocken -Barrique- mit mächtigem Körper und dem Duft nach warmer Butter und Scotch-Toffees, im Mund süß, gelbe Früchte, Orangenbonbons. Verglichen mit dem asketisch-klaren 2018er wirkt der 17er fast füllig, und das steht ihm durchaus gut. Im Sommer 2023 hat der 2018er dann allerdings Fett angelegt und beeindruckt mit schokoladiger, orangenfruchtiger Süße. Der gelb- und apfelfruchtige 2020er schleppt ein köstliches Zuckerschwänzchen hinter sich her und schmiegt sich dank langen Hefelagers eng an den Gaumen.
Mit dem Jahrgang 2022 gibt es einen Souvignier gris, über den wir reden müssen. 2022 Souvignier gris als Orange-/Naturwein ausgebaut: Vergärung der weißen Trauben auf der Schale, wir beschrieben das bei Matthias Höfflin. Im Duft Orange, Sanddorn, English marmalade thick cut, bittere Kumquat, Waldhonig, Weihrauch, Sternfrucht, Tannengrün. Orange-hellbräunliche Farbe, trüb. Im Mund füllig, kraftvoll und rau, zunächst sehr herb und adstringierend, kaum Restzucker, wie das bei voll durchgegorenem Wein so ist, später immer mehr saftige Orange, und die bestimmt das Bild umso eindrucksvoller, je mehr sich der Wein erwärmt; das lehrte uns, ihn nicht zu sehr zu kühlen. Im langen Nachhall Honigbonbon, bittere Kräuter und immer klarere Orangefrucht. Ein Orangewein für Leute, die eigentlich keinen mögen, weil sie sich mehr an Hustensaft erinnert fühlen. Den mag man auch hier ein bißchen herausschmecken, aber dieses exotische Orangending ist absolut zugänglich und ein Eldorado für Chirurgen der Aromatik.
Die Zeiten, in denen Konstanzers Weißweine als Umrahmung eines hervorragenden roten Programms dienten, sind längst vorbei. Die Weißburgunder bewegen sich mit jedem Jahrgang mehr in Richtung Perfektion und wären längst dort angekommen, wenn das Wetter mitspielen würde (so waren wir im Frühsommer 2015 zur 13er Probe eingetroffen, gerade rechtzeitig, um das Hagelmassaker zu bewundern). Im Duft des 2013 Weissburgunder Kabinett trocken "Lößterrassen" präsentiert sich der halbe Kaiserstühler Obstgarten mit Birne, Pfirsich, Haselnuß und einer Prise trockener Gartenkräuter. Die Frucht bleibt im Mund stabil, was bei dem Jahrgang nicht oft vorkommt. Frische, gut integrierte Säure - das scheint uns bei einem 13er ebenfalls bemerkenswert, lang anhaltender, weicher Nachgang.
Von den Terrassen des oberen Winklerbergs, einer der beiden echten Spitzenlagen der Region (die andere ist der Achkarrer Schloßberg) stammt die 2013 Weissburgunder Spätlese trocken. Im Duft klare Birnen- und Quittenaromatik, Granny Smith, süße Haselnuß, Butterkeks. Auf der Zunge rau; wir notierten 2014: "Bloß noch nicht öffnen!", und des Jahrgangs wegen nicht so voll, wie es die Spätlesen der 09er oder 11er Jahre waren. Im Vergleich schien uns die 2013 Weissburgunder Spätlese trocken runder und spannender. Aromatisch so reich, daß man kaum merkt, daß sie "nur" im Edelstahl reifte. Feurige Mineralik, reifes gelbes Steinobst, vollmundig, auf der Zunge wie Seide. Bitterer Abgang, und nochmals: ein spannender Wein.
Den 2008 Spätburgunder QbA trocken stellte Horst Konstanzer uns seinerzeit als "Basiswein" vor, wobei die sogenannte Basis von einer Qualität war, von der andere Winzer träumen. Der 2008er wirkte tief, war vielschichtig mit Aromen von dunklen Früchten, Erdbeeren, Vanille und im Abgang herb und trocken. Das 2010er Pendant: pfeffrig, fruchtig, Schwarzkirsche wandelt sich in Erdbeere, zimtig, frische Säure und sehr langer Nachgang. Stärker und direkter. Und der 2011er vermochte wiederum zu überzeugen: durchdringende Aromen, fruchtsüß, kräuterstark, unterlegt mit den herzhaften Noten von Speck, der in der Pfanne beginnt, Röstnoten zu entwickeln. Auf der Zunge sanft, nach hinten zupackend und kräftig: ein kompletter Wein - Konstanzers Basis. Apropos überzeugen. Die trockene Spätlese desselben Jahrgangs bot das alles auch, nur direkter und in ihrer Intensität ausgesprochen herausfordernd. Aus der Klasse "Erste Lage" stammt der 2015 Spätburgunder Winklen trocken. Im Februar 2021 geöffnet erinnert sein Duft an das Betreten einer Confiserie: süßer, heller Schokoladen- und herb-bitterer Kaffeeduft wehen uns entgegen, alles untermalt von roter Grütze mit viel Sauerkirsche, etwas Brombeere, Erdbeere und ausgeglichen von einem erdigen Ton. Im Mund sanft, weich und eigentümlich frisch, ja jugendlich, sehr zarte Tannine, ungemein saftig. Die Frucht begleitet von Haselnuß, dem staubtrockenen und leicht bitteren Geschmack der Mandelschale, Mokkabohnen zu allem Überfluß. Der 2016 Spätburgunder Ortswein überrascht mit süßem Duft frischen, feuchten Tabaks, auch Kümmel, Kalk, bis sich später dunkle Campinos und zuckersüße Schwarzkirsche durchsetzen. Im Mund voll, intensiv, aggressiv, ein rauer Wein im Vergleich mit den geschliffenen Ersten und Grossen Lagen, und seine Textur erinnert an geschmolzene Schokolade mit mindestens 80% Kakao. Der passende Wein zum Pfeffersteak. Der 2016 Spätburgunder trocken Winklen "Grosse Lage" von mehr als vierzig jahre alten Reben schließlich beeindruckt mit seiner nicht häufig anzutreffenden Note von roter Paprika, außerdem fruchtigem Potpourri roter Grütze, alles dicht verwoben, komplex, schwierig zu genießen, bis der Wein nach viel Luftkontakt pure Erdbeere, Erde, Lakritze preisgibt.
2003 brachte Horst Konstanzer Pinot-Setzlinge aus Burgund in die Heimat. Seither kann man an seinen "Pinot Noir" beobachten oder eher schmecken, wie die Pflanzen sich an die neue Umgebung gewöhnen, sich ins Terroir krallen und mit den Jahren immer komplexere, vielschichtigere, größere Weine hervorbringen. 2008 Pinot Noir: klare Noten aus dem Hozausbau wie Zimt und Gewürznelke, sauerkirschfruchtig mit dem Akzent auf "sauer", saftig, füllig, aber sehr direkt. Der 2009er seidiger mit deutlicher Mineralik, die Wahl für Freunde der zurückhaltend herben Tropfen. 2010: pfeffrig, grünwürzig, Schwarzkirsche und florale Noten. 2011: eine Fruchtbombe - Dosenerdbeere, Zwetschge, Kirsche, ausgeglichen von eleganter Säure und feiner Mineralik. Und dieser Jahrgang präsentiert sich zu Beginn 2018 auf dem Höhepunkt: zedernholz- und torfduftig mit einem Hauch Orangenschale und kühler Frische, im Mund dicht, streng, hochprozentig schokoladig, rumtopffruchtig und mit typischem Rauchfleisch-Akzent; unendliche Länge. Der 2016er machte im Herbst 2020 noch einen recht mollig-weichen Eindruck, nur ein halbes Jahr später jedoch duftet er köstlich nach Sauerkirsche und Mandeln, ein Hauch Röstaromatik ist dabei, alles untermalt von süßem Marzipan.
Die 2009 Spätburgunder -pur- Spätlese trocken war die erste Vertreterin einer 2003 ins Leben gerufenen Linie: ausgesuchte Trauben aus erstklassiger, sonnenexponierter Lage hoch oben am Winklerberg, lange Maischestandzeit, Kaltmazeration, Spontanvergärung, Reifung im Barrique, die Grenze des handwerklich Möglichen austestend - eine Näherung an Burgund. Im Ergebnis ein extraktreicher, saftiger, beinahe fleischiger Wein, im Duft Zimt, Feuerstein, Pfeffer, Gartenkräuter, Nelke, feinstes Holz und brillante Kirschfrucht; dank fehlender Filtrierung samtig, voll, langer, zimtiger Nachgang. Und er spiegelt nichts vor: stark, kompromißlos, selbstbewußt. Daß nicht jeder Jahrgang solchen Wein zuläßt, versteht sich. Erst der 2011er war Horst Konstanzer wieder gut genug für einen -pur-: im Geschmacksbild identisch, etwas süßer, etwas schlanker, und natürlich der heiße 2015er Jahrgang. Ihm entstammt der 2015 Spätburgunder trocken -pur-, im Februar 2021 geöffnet. Überwältigender Duft dunkler Schokolade, Nougat, Süßholz, eine Ahnung von Vanille und Zimt, Gewürznelke, Zedernholz, auch Röstaromen, es endet nicht. Im Mund kräftig, entfaltet sich langsam und wird dann voluminös mit scholadensamtiger Textur. Facettenreiche Aromatik: Veilchen, Majoran, Kirschpraline, etwas feuchte Erde, schwarzer Pfeffer, überraschend etwas Herbstlaub, das oft den Anfang vom Ende ankündigt. Der Holzausbau kaum spürbar und erst im langen Nachhall wagt sich perfekt eingebundene, bittere Bourbon-Vanille zögerlich hervor. Und im Sommer 2023 nehmen wir von diesen Kommentar nichts weg, wobei am Horizont das Ende der Reise schmeckbar wird. Wie bei Konstanzers üblich ein präziser, leicht zu entschlüsselnder Wein und doch geheimnisvoll in seiner nicht endenden aromatischen Vielfalt.