Satt grünwürziger Duft mit feiner Muskatnote, kühl und frisch wie eine Nordseebrise, selbst wenn er aus Franken stammt. Wirkt auf der Zunge zunächst recht unbeschwert, aber seine Aromatik ist kräftig und präzise, fein würzig und gelbfruchtig mit subtiler, muskatschwangerer Süße, die umso präsenter wird, je unverschämter sich Counterparts aufspielen. Am Gaumen saftig, dicht und druckvoll, kaum spürbare, jedoch stets gegenwärtige Säure. Im Abgang entfaltet sich der „Gegenstrom“ mächtig und endlos. Der für Franken herausragende Jahrgang spielt dabei sicher eine Rolle, dennoch: weniger Müller-Thurgau als dieser darf es ab jetzt nicht sein. Referenz für die Rebsorte.
Kaum überraschend, daß Luckerts Interpretation des Müller-Thurgau ausnehmend elegant und feingliedrig ausfällt. Ein frischer, kühler Wein, der bei aller Noblesse nie das „easy drinking“ verläßt, aber stets auf der stilvollen Seite bleibt. Keinesfalls ein süß-schmeichelnder Müller, sondern im Gegenteil kräftig, robust - wir forderten ihn am Grill heraus, und er entfaltete Noten von süßem Kernobst neben der fränkisch-typischen Duftigkeit weißer Blüten und feiner Muskatwürze. Der kompromißlos trockene Ausbau und die feingeschliffene Säure tun das Ihre dazu. Ein beeindruckendes Werk. Wohl dem, der sich diesen Wein leisten kann.
Silex, dieser naturtrübe, knochentrockene und an nicht ganz reifen Boskop erinnernde Müller ist an Echtheit schwer zu übertreffen. Vielleicht waren es solche Weine, die August Dern 1915 vom kommenden Zeitalter des Müller-Thurgau schwärmen ließen. Rau, tief, schon mit einer gewissen Komplexität, dicht und sehr kräftig - nie und nimmer mit einem „modernen“ Müller verwechselbar. Aromatisch wie gesagt Boskop, außerdem scheue Noten weißer Blüten, erdige Würze, die irritierend wilden Noten aus der Spontanvergärung, im langen Nachhall wird der Boskop über dem Feuer gebraten. Erfrischend und nichts weniger als nur vergnüglich. Dürfte außerdem noch einige Jahre vor sich haben. Wer noch mehr herben Apfel im Wein wünscht, dem bleibt nur Laura Seuferts "Anarchie". Das allerdings ist Silvaner.
Im Duft eine sonnengeflutete Blumenwiese, vielleicht auch schon gegen Ende des Sommers, wenn sich würzig-bitteres Heu hinzumischt, daneben süßes Marzipan. Im Mund grüne Äpfel, bittere, getrocknete Bergkräuter, Zitronenabrieb, feine mineralische Würze. Ein Hauch vom Gletscherbonbon - wenn das ein Neuenburger wäre, es wunderte niemanden. Weicher als der Silex, eleganter, leichter, einfacher zu trinken und schwerer zu verstehen. Keinerlei Zugeständnis an die Zuckerliebhaber, seine subtile Süße muß man mit der Zunge mühevoll herauslösen. Kraftvoll, frisch und erfrischend und ebenso klischeefeindlich wie der Silex.
Schon wieder ein Müller aus Franken? Der Silvaner-König schreibt mit diesem trockenen, gerade noch nicht zu herben Wein die phantastische Serie fort. Satte Aromatik voller saftiger roter Äpfel, einem Hauch Südfrüchte, Salz - wahrlich kein süßer Wein. Feinste Säure, fest, robust, sehr langer, kräftiger Nachgang, ein beinahe schweres Exemplar, das unverschämt auf den Tisch haut.
Ananas und andere Südfrüchte, Williamsbirne, sympathisch kräftige Säure, volles, saftiges Mundgefühl: ein überraschend robuster Müller und erfreulicherweise nicht ohne Feinheit. Langer, fetter, puderzuckriger Nachgang. Kommt diesen unglaublichen Franken sehr nahe, hat zwar nicht deren rauen Charakter und das Selbstbewusstsein, auf so etwas wie Restzucker verzichten zu können, ist aber jener fröhliche und zugleich anspruchsvolle Tropfen, den wir vom Müller-Thurgau stets erhoffen und selten bekommen.
Der Obstgarten im Glas: intensiver Duft nach gelbem Apfel, daneben Mandarine, leichte Muskatnote und süße Kräuter, insgesamt viel fruchtiger als die Franken und sogar die Kaiserstühler. Im Mund sehr kräftig mit lebendiger Säure, und mit zunehmender Erwärmung verschiebt sich die zunächst grün-bittere Aromatik hin zur puren Orange, die mithilfe der satten 13 Vol-% strahlen darf - der Sybillenstein wird schmelzig und verabschiedet sich mit ordentlichem Nachhall. Ein facettenreicher, spannender und beinahe komplizierter Müller-Thurgau, der nicht zu kalt serviert werden sollte, damit er seine Delikatesse ausspielen kann. „Punkte“-Abzug, weil er die ganze Zeit den Eindruck eines (guten) Weißburgunders hinterläßt; was also Typizität angeht, hinkt er dem Zang und den Kraemers hinterher. Nicht unbedingt günstig, aber jeden Cent wert.
Der zart muskatwürzige Duft erinnert mit seiner kalkigen Mineralität an die Aromatik eines gelbfruchtigen Silvaners. Im Mund überrascht er mit kraftvoller, aber fein eingewobener Säure, die den Wein vor dem Prädikat "feinherb" rettet. Aromatisch gelber Apfel, weißer Pfeffer, am Gaumen saftig, schmelzig, animierend und lange nachwirkend. Ein „Wein für jeden Tag“, wäre der Begriff nicht so abgenutzt, zumindest für jeden Sommertag, denn seine selbstbewußte Bitternote weckt die müden Sinne und seine Kühle erfrischt. Die Süße der Frucht entfaltet sich mit zunehmender Erwärmung delikat, und der Wein bleibt stabil und kräftig. Erfüllt die hohen Erwartungen, die man an die Weine vom Juliusspital stellt, umstandslos.
Fruchtiger Duft, in seiner Intensität an einen kräftigen Riesling erinnernd, mineralische Schärfe, aber auch ein feiner floraler Akzent. Im Mund für einen Müller voll, sogar füllig, jung und frisch, säurestark und saftig, Zitronenschale, Kiwi, recht feine Muskatwürze. Langer und kräftiger Nachhall, auch hier wieder ausgeprägte Mineralik, und die präsente und anhaltende Bitternote getrockneter Gartenkräuter steht einem klassischen Terrassenwein wie ihm ausgesprochen gut. Nicht so differenziert wie Kraemers „Muschelkalk“, und ein „Wein für jeden Tag“, wie die Werbung wissen will, ist er sicherlich auch nicht. Aber das ist bekanntlich ein Kompliment.
Wer Weine vom Rieslingspezialisten Nik Weis kauft, weiß, worauf er sich einläßt: ungenierte Restsüße. Deshalb sollte dieser spontanvergorene Wein jung getrunken werden und außerdem gut gekühlt. Das fängt den Zucker ein und bringt weiße Blüten, saftigen Apfel, auch etwas Tonmineralik zum Vorschein. Fein perlende, aber immer präsente Säure: ein sehr kräftiger und schon voller Müller-Thurgau, wirkt trotz seiner Süße transparent und in keinster Weise klebrig. Langer, apfelfruchtiger Nachgang. Dieser Müller-Thurgau taugt eher zum Begleiter des Desserts als der Vorspeise und schon gar nicht des Hauptgangs, und als Alleinunterhalter sind uns herbere Exemplare lieber.
Daß man überhaupt Wein im Glas hat, merkt man beim ersten Schluck - vom Duft her könnte es nämlich auch Wasser sein. Danach wird es gut: im Frühjahr 2023 prickelnd frisch, kraftvoll, durchaus robust. Aromatisch süßfruchtig mit weichem gelbem Apfelfleisch und grüner Apfelschale, viel süßem Fenchelgrün, einer sanften Bitternote wie Birkenrinde außerdem. Paßt mit seiner Süße besser zu rezentem Käse als zu Fisch jeder Art, oder man nimmt ihn einfach so. Überraschend der ungewöhnlich lange und kräftige Nachhall. Beleg für die bedauerliche Tatsache, daß selbst guter Müller-Thurgau, oder wie immer man ihn nennen mag, nur niedrigpreisig am Markt überlebt.
Musterbeispiel für einen Müller-Thurgau, wie man ihn oft in der Gastronomie findet. Solche Weine müssen unmittelbar zugänglich sein, sprich auf der süßen Seite stehen, animierend sein, außerdem kräftig genug, um jeder unmöglichen Kombination zu widerstehen, der Gast ist ja König und Konventionen Schnee von gestern. Im Duft süßer Apfel, geschnittenes Gras, kühle lehmige Frische. Im Mund prägnante, gut eingebundene Säure, starke, wenn auch nicht besonders facettenreiche Aromatik süßen, rotbackigen Apfels, feine Mineralik, die vom Restzucker verkleistert ist. Recht schwerer, alkoholreicher Wein. Schmelzige, saftige Textur, ein Wein zum Lutschen, den seine Süße etwas langweilig macht.
Weinen von Andreas Hiss stehen wir normalerweise reserviert gegenüber. Mit zwei Kommentaren zu seinen Spätburgundern belegen wir das. Entsprechend gering waren unsere Erwartungen gegenüber diesem Müller, auch wenn er der Spitzenlinie „Unanständig“ entstammt. Im Frühsommer 2022 satt gelbfruchtig, weich und schmeichelnd am Gaumen. Feinste, fast nicht vorhandene Säure - für einen relativ jungen Müller-Thurgau überraschend mild und recht kompakt, ohne ermüdend üppig zu sein. Animierend mit beängstigend hoher Trinkgeschwindigkeit, hohem Alkoholgehalt und glücklicherweise nur zurückhaltend süß. Definitiv ein Alleinunterhalter, der den meisten Spaß ohne jede Begleitung macht.
Müller-Thurgau begegnet uns im Kaiserstuhl nicht häufig - wozu auch, in dieser burgundergesegneten Gegend. Umso mehr freut uns dieser kräftige Wein mit seiner kaiserstuhltypisch überbordenden exotischen Frucht; Fenchelgrün und viel weißer Pfeffer runden ihn ab. Im Mund alles andere als "trocken", süß, süffig, kompakt, dabei fängt die lebendige Säure seinen Körper recht gut ein. Bodencharakteristik fehlt ihm völlig, deswegen auch jede mineralische Spannung, dafür ist er ein äußerst flexibler Begleiter mit breiten Einsatzmöglichkeiten. Sein Preis-/Leistungsverhältnis: sensationell. Wer frühere Jahrgänge kennt, wird außerdem feststellen, daß der 2016er ausgefeilter wirkt, wenn man will: filigraner - sofern „filigran“ überhaupt das Wort für diese Bombe sein kann - oder eben: kunstvoller. Schönes Beispiel für die neue Philosophie der Bickensohler Weinvogtei.
Aus einem uralten und doch jungen Thüringer Weinberg stammt dieser herb-mineralische Müller-Thurgau, der mit robustem Körper und bei aller Strenge mit seidenweicher Textur beeindruckt. Gnadenlos trocken und etwas für Freunde des zurückhaltenden Restzuckers. Zunächst leicht reduktive Note, dann entfalten sich Blütenduft und süße Kräuter, die Frucht mit Apfel und Orange hält sich vornehm zurück, der Nachgang hingegen läßt sich erfreulich viel Zeit mit dem Verschwinden. Gut gekühlt ein Wein für den heißen Sommertag und sicherer Begleiter der dazu passenden Speisen. Ein Alleinunterhalter ist er definitiv nicht.
Der Wein wurde im Sommer 2019 geöffnet. Überraschend klar definierter Duft nach reifen Birnen, etwas Muskat und Mandel und ebenso überraschend kräftige, zitrusfruchtige Aromatik mit gut eingebundener jugendlich-frischer Säure. Saftig, den Speichelfluss anregend, und das „halbtrocken“ könnte irreführender nicht sein. Noch eine Überraschung: der starke und lange Nachhall. Der Wein ist in keinster Weise fein oder facettenreich, noch nicht einmal beschäftigt er besonders, aber er erfrischt, und er macht uns schon allein deshalb Spaß, weil er das Klischee minderwertiger Müller-Thurgau vom Bodensee widerlegt.
Wieder ein sogenannter "Rivaner", seis drum. Im Duft Maracuja, Feuerstein ganz stark, sehr spannend. Im Mund exotische Süße, leider viel zu viel davon, überreifer gelber Apfel und spürbarer Muskatton, sonst ziemlich unspezifisch, und im Vergleich mit dem dicken Bickensohler hinterläßt er eine gewisse Leere. Wirkt wegen nahezu völlig fehlender Säure breit. Angenehm bitterer, wenn auch kurzer Nachhall. Kühle Temperierung ist wichtig. Vergleicht man ihn direkt mit hochklassigen Franken, hat man eine Art „Judgement of Paris“-Erlebnis, das jedoch in kürzester Zeit verfliegt. Zucker ersetzt Klasse eben nicht. Durchaus und mit Vergnügen trinkbar, uns aber zu banal.
Nach dem wir den bröseligen Korken herausoperiert haben, beeindruckt der Wein mit der Duftwelt von Bananen, feinem Zitrus und einer Marzipan-zuckrigen Note. Im Mund beginnt er etwas kraftlos, erholt sich jedoch bald und wird vollmundig, auch lauert die unverkennbare Sherrynote, die er mit seinen heute rund 35 Jahren allerdings haben darf. Steht auf der süßen, etwas öligen Seite mit minzig-kräuterigen Noten, auch der Holzausbau ist zu erahnen, und im überraschend langen Nachgang bäumt er sich schön auf. Typischer Vertreter der achtziger Jahre. Außer Konkurrenz.