Mit dem Schloß Schönberg, das über Bensheim thront, hat das Weingut genau genommen nichts zu tun. Seine Weine reifen als "Gastspiel" in den Kellern des Bensheimer Sektgutes Griesel. Dessen Eigentümer, die Familie Streit, besitzen jedoch besagtes Schloß, und so schließt sich der Kreis. Das Weingut Schloß Schönberg ist eines von mehreren alkohollastigen Streit-Investments, und die Streits tun im Moment genau das, was Investoren tun sollen: dem Projekt Zeit zur Entwicklung geben, nicht dazwischenfunken, mit Sympathie begleiten - so wie Tengelmann-Erben das mit dem Weingut Abril taten und nach langer Durststrecke inzwischen ganz hervorragend damit fahren.
2016 ist der erste Jahrgang des Programms von sieben Weinen - drei Weine in Literflaschen (Riesling, Chardonnay mit Weißburgunder, Rosé aus Spätburgunder mit Lemberger) und vier Gutsweine (Riesling, Grauburgunder, Rosé aus Spätburgunder, Müller-Thurgau); weitere Orts- und Lagenweine gemäß VDP-Schema sind angekündigt. Und da man sich vom mainstream dieser klassischen Riesling-Gegend abheben will, soll der Schwerpunkt zukünftig auf Burgundersorten liegen: "Pinot Paradise Hessische Bergstrasse" heißt die Losung...
Der 2016 Riesling trocken macht mit seinem Duft von bitterem Schiefer und saftigen Südfrüchten einen guten Anfang. Im Mund ist er zunächst zitrusbestimmt, auch salzig dank Beimischung von Grauburgunder, später kommt süßer, reifer Pfirsich hinzu, die bitter-mineralische Note bleibt. Saftig, facettenreich, ein spannender Riesling, wie ihn die Gegend hervorbringen kann. Heute noch sehr säurestark, aber das Potential für einige Jahre der Beruhigung hat er. Sehr gutes Preis-/Leistungsverhältnis. Auch der 2016 Grauburgunder trocken ist ein für die hessische Bergstrasse gut gelungener Grauburgunder, den man nicht mit badischen Exemplaren vergleichen darf oder muß. Beeindruckend weit ausholende Aromatik von Mirabelle, Stachelbeere, Zitrus, Vanille und dem nötigen salzigen Akzent. Die Harmonie ist noch nicht perfekt, aber für ein Erstlingswerk ist das ein beachtlicher Wein. Das gilt jedoch vor allem für den 2016 Müller-Thurgau fumé, der im Vergleich mit den zwei vorherigen Weinen bedeutend süßer daherkommt: typischer Zitrusduft mit feinem Vanilleton, reife gelbe Früchte, Apfel, Minze. Ausgewogen mit sich schön entfaltender Säure. Sehr vergnüglich, keinesfalls belanglos und unserer Meinung nach das Highlight des aktuellen Programms. Dessen unteres Ende markiert der 2016 Rosè aus Spätburgunder, den man im Duft unmittelbar erkennt, im Mund dominiert jedoch leider der herb-saure Charakter unreifer Pflaumen. Insgesamt ein strenger Wein, der im Abgang seine Krallen ausfährt und mit dem man sich durchaus beschäftigen kann. Viel Vergnügen macht er jedoch nicht.
Investoren brauchen Geduld und Durchhaltevermögen, vom Kunden sollte das nicht verlangt werden. Aber die Weine in der Literflasche tun genau das, der 2016 Riesling trocken noch am wenigsten. Zwar ist er äußerst säurebetont, aber seine fruchtigen und floralen Noten machen ihn zugänglich, und er sticht mit seinem langen Abgang aus der Alltagsbrühe heraus. Jedoch halten wir sein Preis-/Leistungsverhältnis für schwierig. Das ist einerseits nicht Schloß Schönbergs Schuld, sondern die des allgemeinen Preisverfalls, der dafür sorgt, daß man vergleichbare (oder viel bessere) Liter-Rieslinge anderswo für ein, zwei, drei Euro weniger bekommt. Andererseits ist es eben doch Schloß Schönbergs Schuld, denn der Literwein liegt preislich viel zu nahe am Gutsriesling. Auch der 2016 Siegfried trocken aus Chardonnay und Weißburgunder ist kein Fehlschlag: am Gaumen warm und weich mit typischem Chardonnay-Charakter, dabei durchaus spritzig, soweit alles in Ordnung. Geschmacklich unspezifisch, und das wirft bei dieser immer kritischen, weil tendenziell langweiligen Sortenkombination die alte Frage auf: wer braucht diesen Wein. Der sehr leichte Rosé trocken aus Spätburgunder und Lemberger mit seinem sauren Grundton kann die Frage auch nicht beantworten.
Es ist immer wieder eine Freude, gelungene Rieslinge zu entdecken, und in der Hinsicht warten wir gespannt auf die angekündigten Orts- und Lagenweine. Inzwischen genießen wir den Gutsriesling und diesen bemerkenswerten Müller-Thurgau und fragen uns, was das wohl werden mag mit dem "Pinot Paradise".