Gutedel ist der Trollinger Badens. Diffamiert, bestenfalls belächelt, nicht gesellschaftsfähig - nur im eigenen Lande wertgeschätzt, zumeist durch Vermassung verhunzt. Lange suchte man besser im Ausland, Schweizer Chasselas oder Fendant sind ebenso zuverlässige Weine wie Südtiroler Vernatsch. Und ebenso wie bei Trollinger muß der Kunde wissen, wem er wirklich vertrauen kann. Rainer Schlumberger jedenfalls würde Traube und Beere am liebsten überhaupt nicht anfassen, sozusagen vom Stock ab in die Flasche. Schonende Behandlung, wo es geht, ohne Pressen, Quetschen, Pumpen, Wringen, teils nicht einmal Filtrieren, kein Schönen, wo es sich vermeiden läßt. Und das bekommt nicht nur dem Gutedel. Auf rund 6 ha stehen außerdem weiße und rote Burgunder sowie die fast vergessene Huxelrebe, und die Frage, seit wann das Weingut existiert, beantwortet Stephanie Schlumberger mit "Schon immer". Damit wäre auch das geklärt.

Gutedel und Huxelrebe

Selbst die besten Gutedel sind keine geschmackliche Offenbarung, aber sie bestechen durch Frische, Leichtigkeit und ausgesprochen feine Aromatik. Den 2014 Gutedel Kabinett trocken läßt Schlumberger durchgären, stoppt die Gärung also nicht, nur um Zucker zu retten. Das macht den Wein bei moderaten Volumenprozenten kräftig und erfrischend. Von Apfel und Walnuß oder besser frischer Walnußhaut bestimmt, ein Terrassenwein für die eher einsame Stunde und nicht für den Partytrubel, denn seine leise Aromatik verlangt Aufmerksamkeit. Und Gutedel kann noch mehr hergeben: 2014 Chasselas trocken - gereift im Barrique, ebenso konsequent durchgegoren, der Ausbau im gebrauchten Barrique verleiht dem Wein ungewöhnliche Substanz, läßt ihn voller, tiefer wirken, die Frucht wird intensiv und vielfältig mit grünen Akzenten von Kräutern und Bohnen. Natürlich ist Gutedel die falsche Sorte für jahrelange Lagerung. Schlumbergers handwerkliche Perfektion wird aber deutlich, wenn man einen (fast über-)reifen 2003er probiert, der mit seiner starken Frucht von Rosinen, getrockneter Walnuß und der Sherrynote immer noch mit Respekt und Vergnügen genossen werden kann.

Auf einer kleinen Parzelle wird die Huxelrebe angebaut, angeblich die einzige Huxelrebe aus Baden oder Südwestdeutschland überhaupt, und seit vierzig Jahren bürokratisch korrekt als "Versuchsanbau" ausgewiesen. Der Versuch: 2014 Huxelrebe trocken ist geglückt. Zunächst intensives Aroma von frisch aufgeschnittenem Apfel, dann kommen Südfrüchte wie Grapefruit und Passionsfrucht mit ihren feinen Bitternoten hinzu, eine fast grauburgunderartig salzige Note, etwas Muskat, apfelfruchtiger Nachhall. Stilistisch vollmundig, kräftig, klar und dem 2014 Grauburgunder Kabinett trocken eindeutig vorzuziehen.

Spätburgunder

2012 Spätburgunder trocken - im Holzfaß gereift sein Körper leicht wirkend, aromatisch haut er aber auf die Pauke mit reifer Pflaume, einem Hauch Zimt, etwas Liebstöckel, Pfeffer. Tiefer, hochklassiger Alltagswein und Beleg dafür, daß auch rote Weine kühl und nicht bei Zimmertemperatur getrunken werden müssen. Eines der interessantesten Exemplare von Schlumbergers Spätburgundern heißt schlicht 2012 Kabinett trocken und geht in einer Zwischenzeile der Preisliste fast unter. Dabei handelt es sich seiner Machart wegen um einen Exoten: die Trauben für diesen Wein werden nicht entrappt, sondern vergären unbeschädigt samt Stielen im Edelstahl, eine alte französische Methode namens maceration carbonique. Unter Sauerstoffabschluß gären die Beeren von innen, Mikroorganismen wandeln Säuren um, setzen Fruchtaromen frei und das schneller und intensiver als bei anderen Vergärungsmethoden. Im vorliegenden Falle ist das Ergebnis ein robuster und saftiger Spätburgunder von brillanter Kirschfrucht.

Selbst auf Filtrierung verzichtet man beim 2011 Pinot Noir "Eich", wodurch verhindert werden soll, daß dem Most aus Beeren französischer Abstammung auch nur ein Quentchen Aroma verloren geht. Zimtiger, würziger, fruchtiger, gewaltiger Duft, das wird eine Bombe im Mund! Die ist es dann nicht, der Wein gibt sich zivilisiert: trotz aller Geschmacksfülle schlank wirkend mit reicher Frucht, durch eine würzige Bitternote ausgeglichen, ideal für die Wildsaison wie auch für die Herbstterrasse samt Strickjacke, wenn man draußen noch ein paar Sonnenstrahlen tanken will.

Den Höhepunkt des Programms bildet eine Auslese vom Spätburgunder. Auslesen sind immer so eine Sache. Nichts für jeden Abend, nichts für jeden Anlaß und für die meisten Gäste ohnehin zu schade. Außerdem anstrengend, Arbeit, nicht nur in Weinberg oder Keller, sondern auch am Glas. Die 2007 Spätburgunder Auslese trocken ist gutes Beispiel dafür: im Mund sehr trocken (die anderen Weine bedeutend weniger), fast adstringierend, der Gaumen von feinsten Nadelstichen gepiesackt. Stilistisch tief, schwer, dicht verwoben. Aromatisch wie üblich bei solchen Weinen überbordend rotfruchtig, aber das Bild, das während des Genusses entsteht, ist der Spaziergang durch den neblig-feuchten Herbstwald mit seinen Pilzen, dem nassen Unterholz, dem würzigen Laub, auch dem Moder. Tief einatmen! 2017 durchaus noch frisch, war die Reise im Sommer 2023 endgültig vorbei.

Zum Schluß kommen wir auf die Huxelrebe zurück. Andreas Schätzle aus Schelingen servierte uns eines Sommerabends als Abschluß der Burgunderprobe einen federleichten Kerner. Der mache den Gaumen wieder klar und den Geist frisch, und Schätzle wußte, wovon er sprach. Stephanie Schlumberger weiß es auch, denn sie empfahl nach mehreren Jahrgängen "Eich" und Auslese noch ein Glas Huxelrebe. Paßte.

Wir danken Volker Nietzold für diese Empfehlung.