Das Weingut Sacherer punktet mit erstklassigem Kundenservice, unkomplizierten Weinproben, sorten- und jahrgangsspezifischen Probierpaketen - auch zum Selbstzusammenstellen, mit umfangreichen Informationen zu den Weinen, und die Weine kann man im angeschlossenen Gasthof "Sonne" an der hervorragenden Regionalküche messen. Noch was? Ja, die Weine selbst. Seit 1959 wurden rund 10 ha mit dem Kaiserstühler Standard, außerdem mit Silvaner, Chardonnay und Regent bestockt, wobei der Schwerpunkt auf fruchtigen, nicht zu süßen Weißen liegt. Die können entweder ganz unbeschwert genossen werden oder mit Muße und Zeit. Dann wird man in eine Geschmackswelt entführt, die ausgerechnet in Amoltern, dem Dorf am Ende der Sackgasse, so nicht zu erwarten war.

Weissweine

Was Silvaner angeht, bestimmt immer noch Franken die Marschrichtung und sonst niemand, dabei war Baden und hier der Kaiserstuhl jahrzehntelang Deutschlands Hauptanbaugebiet. Selbst im ausufernden Programm Joachim Hegers ist für Silvaner heute kein Platz mehr, und unter den rund einhundert Positionen auf Andreas Stiglers Liste verlieren sich ganze zwei Exemplare. Unter den verbliebenen Unermüdlichen steht Sacherer vorne. Der 2013 Silvaner trocken präsentiert sich sortentypisch zickig, entfaltet sich nur langsam, duftet leicht mineralisch und nach süßherben Kräutern. Im Mund kantig, kräftig, aromatisch Apfel und Melone, bittere Wiesenkräuter, und die seidenfeine Säure macht ihn saftig. Spannend: wer die Muße hat, hineinzuhören, wird Orange, Grapefruit, reife Zitrone entdecken. Das Jahr 2015 schenkte die Gelegenheit für eine mirabellenfruchtig schmeichelnde 2015 Silvaner Spätlese, die in ihrer aromatischen Intensität und lössbodentypischen Frische ein Meisterstück ist. Über den Jahrgang 2017 meint Willi Sacherer, er hole den jahrgangsverwöhnten Genießer auf den Boden der Tatsachen zurück, und in der Tat mag ein junger 2017 Silvaner trocken an einen säurestarken 2014er erinnern, geizt im Gegensatz dazu aber nicht mit geschmacklicher Intensität. Mit der 2020 Silvaner Spätlese trocken schließlich haben wir eine Referenz für gelbfruchtigen und blütenduftigen Silvaner im Glas. Was uns am meisten beeindruckt, ist seine perfekt verwobene Säure: kaum mehr spürbar, aber immer präsent, wasserziehend und animierend, das denkbar feinste Schleifpapier am Gaumen und trotzdem unbeirrbar mit Duett mit Begleitern. Vollmundig, saftig, süß mit ausgleichenden Zitrus- und Kräuternoten und enormer Trinkgeschwindigkeit. Insgesamt, wenn wir den Bogen von 2013 bis 2020 spannen, der einsam strahlende Spitzenreiter.

Zur Burgunderfraktion. Der 2012 Weißburgunder Kabinett überwältigte mit fettem, warmem Duft von Teig, süßen Kräutern, einem Hauch Orange, im Mund entfaltete er sich erst apfelsüß, dann salzig, Bienenwachs, und er ließ sich Zeit mit dem Abschied. Kein unbedingt lieblicher Weißburgunder, balancierte er gekonnt zwischen Herbheit und Süße und gehörte definitiv nicht zur Dessertfraktion. Die 2012 Weißburgunder Spätlese wirkte im Vergleich sanfter, feiner, facettenreicher. Ebenfalls mit dem Restzucker zurückhaltend, wurde aber in Begleitung kräftiger Speisen ein richtig süß schmeichelndes Tröpfchen. Es dauerte dann bis zum 2023er, bis wir wieder einen Weißburgunder von Sacherer im Glas hatten: reicher Duft, umso facettenreicher, je länger der Wein im Glas ruht. Gelbe Früchte fast jeder Provenienz, saftiger Apfel, süßer Biskuit bis hin zur Geleebanane. Im Mund nimmt der Wein nichts davon weg. Kandierte Äpfel, Orangenzeste, Kuchenteig mit einem Schuß Rum, gewaltig und intensiv, fast beißend, zudem vollmundig, kraftvoll, leicht cremig und mit seinen 14 Vol-% natürlich alkoholstark. Ein großer Wurf, gleich, ob zum Dessert oder auch ganz alleine. Mit der 2017 Grauburgunder Spätlese hatten wir einen satt birnen- und mandelduftigen, robusten und vollen Tropfen im Glas, den wir schon im Herbst 2018 mit größtem Vergnügen tranken und bei dem wir uns damals nicht vorstellen konnten, wohin er sich angesichts seiner damaligen Klasse überhaupt noch entwickeln sollte. Vielleicht in diese Richtung: 2020 Grauburgunder Spätlese trocken - im Duft reifer, saftiger roter Apfel, Limette, Puderzucker, im Mund Musterbeispiel für das Phänomen "Schmelz", diesem eigentümlich sympathischen Zusammenspiel von kompaktem Körper und seidenfeiner Säure. Orangen- und Zitronenbonbons, Bitterorange, weißer Kalk, Kräuter. Ein unmittelbar zugänglicher, aber facettenreicher und gletscherkühler Wein, dem ein Olivenciabatta als Begleitung reicht, um seine köstliche Süße herauszulocken, und damit ist die Flasche bedeutend schneller geleert als die der 2019 Chardonnay Spätlese trocken. Sie duftet nach Zitrus, gezuckerten, gerösteten Haselnüssen, Zuckerwatte, auch ein bitterer touch wie Weinrauke ist dabei. Der rassige, straffe Wein schmeckt nach Honig, Kuchenteig, weißen Blüten, Limette, und die trotz Jugend zarte Säure sorgt schon für etwas Schmelz. Viel fordernder als der Grauburgunder und mit enormem Potential, das uns an unsere langjährige Favoritin erinnert: 2012 Chardonnay Spätlese trocken aus Sacherers bester, südwestlich ausgerichteter Lage Eichberg, bananen- und birnenduftig, im Mund saftig und voll, streichelnde Säure. Aromatisch etwas Kräuter, gewaltig Birne und wieder Banane, feiner salziger Akzent, im langen Nachgang intensiv birnenfruchtig. 2020 tranken wir unsere letzte Flasche davon, ein Fest für Liebhaber von Kirchenfenstern und cremigem Mundgefühl.

Vom Duft her könnte die 2020 Gewürztraminer Spätlese trocken durchaus Weißburgunder sein. Die typische Gewürztraminer-Palette ist zunächst schwach ausgeprägt, und vorweg: am deutlichsten darf der Gewürztraminer im Abgang er selbst sein. Da kommen frische Rosenblätter hervor und schwemmen jeden Zweifel weg, doch der Reihe nach. Exotik kommt ins Duftspiel: Orange, Lychee, Basilikum. Im Mund kraftvoll, säurestark, tief, staubtrocken am Gaumen, Zitrone, feine Duftrose, Orangencampinos, starke, rosenfarbene Süße, eine Art Meditationswein, den man noch einschenkt, wenn man eigenlich gar keinen Wein mehr wollte. Und irgendwie erinnert er uns an poliertes Metall: kühl, glatt, strahlend in seiner Aromatik, hart, sprich robust, wenns drauf ankommt. Bittere Kräuter wie Wermut (Artemisia Absinthium) im Nachhall. Es macht Spaß, aktuelle Weine mit ihren Vorgängern zu vergleichen, Zeitspannen von vielleicht zehn Jahren und mehr zu überbrücken, hier verzichten wir darauf. Dieser Jahrgang spielt einfach auf einem anderen level.

Rotweine

Rotweine spielten in Sacherers Programm lange Zeit die Nebenrolle. Heute finden sich viele solide Spätburgunder. Derjenige in der Literflasche ist der 2020 Käsleberg Spätburgunder trocken. Er präsentiert sich zunächst erwartet süffig ohne große Tiefe, fruchtig mit feiner Bitternote, weich und schon ordentlichem Nachhall, aber wenn man ihm etwas Zeit im Glas gibt, damit er seine jugendlichen Kanten verliert, und ihm überdies milden Weichkäse und dunkles Brot zur Seite stellt, dann entfaltet er köstliche Heidelbeerfrucht, einen Hauch Kaffee und im Abgang zuckersüße Schwarzkirsche.

Über die 2012 Spätburgunder Spätlese trocken schrieben wir 2014: "...selbstbewußte Bitternote gesellt sich zu Waldfrüchten und Zwetschgen, etwas Vanille und Lakritz nur zurückhaltend - angenehm, wenn man Nase und Mund voll hat von den üblichen Nuß-, Zimt- und Schokoladenbomben. Vollmundig, saftig, kräftig, animiert mit filigraner Säure dauernd zum Nachschenken. Daß es eigentlich ein verdammt schwerer Wein ist, wird gar nicht unmittelbar bewußt, aber der mächtige Abgang und lange Nachhall erinnern an die satten 13 Vol-%, und das liefert uns dann auch die Erkenntnis, daß Sacherer keine Adresse für Einsteiger ist." Zitat Ende. Interessant, wie sich die Weine gleichen und auch wieder nicht: die 2020 Spätburgunder Spätlese trocken duftet nach reifen Zwetschgen, Sauerkirschkonfitüre, einem Hauch Graphit, wir schnuppern außerdem Weihrauch, unbekannte Gewürze, den strengen Akzent von Messing und finden uns plötzlich in einem indischen Tempel wieder, exotisch, mysteriös. Im Mund weich, voll und saftig, aber keineswegs schwer, Schwarzkirsche, ein Hauch Sandelholz, ein Messingschälchen mit glimmendem Weihrauch, langer, voluminöser und schwarzkirschiger Nachhall. Von Indien zurück in die heimatliche Weihnachtszeit führt uns der 2023er. Im Duft Karamell, Vanille, Toffee, Fudges, etwas Preiselbeere. Im Mund, Wintergewürze, leicht Nougat, stark Schwarzkirsche, schwarze Johannisbeere, Brombeere, getrocknete Kräuter, Muskat. Rau, süß, heiß, saftig, endlos nachhallend. Für die 2017 Oberrotweiler Käsleberg Spätburgunder Auslese war es im Sommer 2021 fast noch zu früh. Im Duft Vanille, nein: ein überwältigender Vanilleteppich, verwoben mit Brombeere, Erdbeere, getrockneter Feige. Im Mund weich und dicht wie Samt, Rumtopf mit Erdbeeren und Kirschen, Kalk, gewaltig in der Entfaltung des Körpers, ein Nadelkissen voller Säurespitzen hält den Gaumen wach, Zweiklang von Schwere und Frechheit, von gesetzter Noblesse und Frische. Tabak und Nougat im Abgang. Mag sein, daß der Wein tatsächlich zu jung war, aber warum warten. Genuß ist heute!

Und nun wollen wir die Weinphilosophie vergessen und erzählen eine Anekdote. Spätsommer 2022, Samstagabend, beinahe zu kühl für die Terrasse, etwas besonderes wird auf den Tisch kommen und ein besonderer Wein dazu: Sacherers Auslese. Um es kurz zu machen: das Essen schmurgelte immer noch vor sich hin, die Flasche war aber schon leer. So ein Wein ist das.

Fazit

Unter Uhrensammlern soll es die Glaubensfrage namens "Exituhr" geben: welche Uhr wird die endgültig letzte sein, die Du Dir in Deinem Leben anschaffen wirst? Wenn wir in vielen Jahren die Frage nach unserem "Exitwein" für uns selbst beantworten müssen, wird Sacherer ganz oben auf der Liste stehen.