Seit 1985 liefern 12 ha Burgundersorten und etwas Muskateller rund 30 Positionen, die nach eigener Lagenklassifizierung, in etwa dem VDP-Schema vergleichbar, gegliedert sind. Die fordernden Tropfen sind bestimmt nicht jedermanns Sache, denn der Besuch im Weingut Bercher-Schmidt ist ein Ausflug in die Vergangenheit. Das liegt nicht an den malerischen Ruinen des alten Seiferer-Hofs, der zum Weingut gehört, sondern an der bewußt kantigen Machart der Weine: voll durchgegoren, streng, schlank, sofern die Unbilden der Witterung es zulassen. Unserer Meinung nach sind die Spätburgunder "1er Lage" die hervorragenden Tropfen des Weinguts, weil ihre überreiche Frucht und Würze ideal von der Mineralität des Vulkanbodens gebändigt werden.
Der 2012 Bischoffinger Enselberg Muskateller trocken ist im Duft sortentypisch, aber beinahe aufdringlich blumig. Im Mund dann unerwartet herb, kräftig und säurestark; Zitrus, Sommerkräuter, leichte mineralische Akzente, einer der ungewöhnlichen Kaiserstühler Muskateller, die sonst eher der Lieblichkeit zuneigen. Der 2015er dagegen ist bedeutend süßer, im Gegensatz zu vielen anderen des Jahrgangs aber wenigstens trinkbar, ohne daß man einen Zuckerschock erleidet. Rosen- und Holunderblütenduftig, im Mund frisch, würzig, zitrus- und ananasfruchtig mit kräftig-salzigem Akzent. Wer den Wein im Sommer 2021 noch im Keller hat, möge sich sputen: im Duft Zitronenmelisse, Schiefer, Erde, im Mund herbe Muskattrauben, Majoran, Birkenrinde, die Süße verflogen, und den köstlichen Muskatakzent muß man mit Weichkäse hervorlocken. Verliert nun doch erheblich an Kraft. Ohne besondere sortentypische Aromatik hat der 2012 Oberrotweiler Käsleberg Weißburgunder trocken hohen Wiedererkennungsfaktor im Kaiserstühler Weißburgundersee: im Duft Zitrus und geschmolzene Butter, im Mund dank hohen Alkoholgehalts füllig und kräftig mit Zitrone, Küchenkräutern und zuckrigem Oberton, überraschend langer Nachgang. Die 2012 Bischoffinger Rosenkranz Weißburgunder Spätlese trocken ist fruchtiger, wirkt mit 13,5 Vol-% auch voller, aber deswegen nicht weicher. Eindeutig der vergnügliche Alleinunterhalter, der aber selbst Gegrilltem standhält. Im Geschmack süßer Teig, reifer grüner Apfel, intensiv und lange anhaltend, und leckt man sich anschließend die Lippen, hat man ein Tequila-Erlebnis. Im Abgang wieder ausgeprägte pikante, salzige und jetzt auch bittere Noten. Und dieser Facettenreichtum hebt Weiß- und Grauburgunder stets von ihrem Verwandten Gelbburgunder (vulgo Auxerrois) ab, der in, sagen wir: normalen Jahrgängen allzu oft nur blasses Wasser abgibt. Dem 2015 Bischoffinger Rosenkranz Auxerrois trocken) helfen die extremen Oechsle-Werte jedenfalls auf die Sprünge - überraschend süßfruchtig, leise mineralisch und mit sehr trockenem Abgang. Im Vergleich zu seinen 15er Burgundergeschwistern, deren Sortentypizität, Mineralität und Rasse im Restzucker ersticken, ist er die Wahl. Da mag die 2015 Auxerrois Spätlese trocken sanfter und differenzierter wirken, aber sie weist fast gar keine Säure mehr auf und macht den Genuß etwas langweilig.
Die 2011 Bischoffinger Rosenkranz Chardonnay Spätlese trocken Barrique ist eine Art Hexamer „S“ light - in burgundischen Fässern gereift, aber nicht vom Holz erschlagen, sehr vollmundig und lang, wirkt zunächst sanft, weich und zeigt im Abgang plötzlich Frische und Jugend. Kein einfach zu trinkender Wein, kein Alleinunterhalter. Paßt hervorragend zu mild (Nachtrag: oder gar nicht so mild) gewürzter mediterraner oder asiatischer Küche. Was zum 2015er zu sagen ist, lesen Sie bitte unten bei den 15er Grauburgundern.
„Komplexität“ ist einer jener wichtigtuerischen Begriffe der Weinkritik, über die stillschweigend Einverständnis herrscht, ohne daß jemals eine präzise Definition geliefert worden wäre. Vielleicht beschreibt „Komplexität“ einfach einen Wein, der sich nicht leicht in gängige Schemen fügen läßt und zur Auseinandersetzung einlädt. Hier ist einer: die 2012 Bischoffinger Steinbuck Grauburgunder Spätlese trocken, geöffnet im Februar 2016, ist vollmundig, eröffnet ein weites Aromenspektrum, wirkt auf der Zunge seidenweich und piekst trotzdem kräftig am Gaumen. Gelbfruchtig und trotzdem nicht süß. Saftig und animierend, und trotzdem gnadenlos trocken. Im Spätsommer 2017 noch lange nicht auf dem Höhepunkt. Die 2015er stöhnen dagegen unter der Last hohen Restzuckers. Der 2015 Kiechlinsberger Ölberg Grauburgunder Spätlese trocken merkt man die Sorgfalt des Winzers zwar an: sehr saftig, lange anhaltend, aber die Würze eines Grauburgunders ist von der Süße erstickt. Die 2015 Bischoffinger Steinbuck Grauburgunder Spätlese trocken scheint zitrusfruchtiger, säurestärker und ist nicht mehr unbedingt der eindeutige Dessertwein wie der Ölberg. Dennoch nur etwas für Süßmäuler.
Im wunderbar warmen Sommer 2023 öffneten wir den 2020 Müller Thurgau trocken. Apfelfruchtig, rauchige Note, scharfsüßes Fenchelgrün, hintergründige gelbe Frucht, feinperlige, jugendliche Frische, langer, minziger Nachhall mit feinster Bitternote. Der Wein beweist, daß es Massenträgern wie Kerner, Trollinger, Samtrot oder eben auch Müller-Thurgau guttut, wenn sich Genossenschaften von ihnen abwenden. Dann ist die Zeit der Massenproduktion vorbei, und Könner wie Bercher-Schmidt hegen und pflegen Liebhaber-Projekte, die man sich nicht entgehen lassen darf.
Bercher-Schmidt baut alle Rotweine im Holz aus - den 2012 Oberrotweiler Käsleberg Spätburgunder QbA trocken im großen Faß, also ist nicht viel Toast zu erwarten, alle anderen in neuen oder gebrauchten Barriques. Schon der Basiswein "Käsleberg" ist dicht und extraktreich, ein Spätburgunder aus der Gewürzklasse mit wenig Fruchtsüße, vielleicht etwas Kirsche, dafür mit fettem Speck und Reifepotential. Der 2012 Oberrotweiler Henkenberg Spätburgunder trocken, in alten Barriques ausgebaut, stammt vom Vulkanboden mit jenem berühmten Mikroklima des Kaiserstuhls. Im Vergleich zum Käsleberger Gewürzspeckspätburgunder aus Lößboden ist er ein lieblich fruchtiger Blütenduftiger, aber im Mund plötzlich der Kräftige mit herber roter Johannisbeere, Veilchen, Kakao, Lebkuchengewürz, Vanille, etwas Toast; ein herausfordernder, schwierig zu entschlüsselnder Wein mit weitem Geschmacksspektrum. Auch wenn er zu den einfacheren Kandidaten im Programm zählt, sollte der Gastgeber gut überlegen, wem er diesen Wein zumuten will.
In der Barrique-Klasse und aus hervorragendem Jahrgang präsentiert sich die 2011 Bischoffinger Enselberg Spätburgunder Spätlese *** trocken als zugänglicher, aber schwerer und anspruchsvoller Wein. Er wird aus den Trauben echter Burgunderklone gewonnen, die sich dank Steillage tief in das Vulkanverwitterungsgestein krallen und dessen Kraft aufnehmen - übrigens wachsen sie oberhalb des Weingutes Abril: der Kaiserstuhl ist ein Dorf. Der Wein ist Bercher-Schmidt-typisch vollmundig, seidenweich, füllig und geschmacklich weit gefächert von frischem Brot und Gemüse bis hin zu reifer Schwarzkirsche, Tabak und sanfter Bitternote. Auch ihn erwirbt man eindeutig für den Keller: geben wir ihm einige Jahre Zeit bis zur nächsten Probe. Das gilt ebenso für die 2011 Burkheimer Feuerberg Spätburgunder Auslese *** trocken von schwerem, dunklem Vulkanboden. Sie präsentierte sich 2013 feurig, wild, beißend und gab ihre große Vielfalt von dunklen Früchten, Gartenkräutern, Gewürzen bis hin zu gebratenem Speck nur zögernd preis. Im Herbst 2015 begann sie sich zu öffnen, hat es aber nach wie vor nicht eilig. Der 2014er (Faßprobe) überrascht zunächst mit floralen Noten, wirkt im Mund mit seinen feinen Gerbstoffen saftig, aber unbedingt trocken und zeigt reiches Potpourri an überreifen dunklen Früchten, fast schon Kirschlikör. Die 2015 Kiechlinsberger Ölberg Spätburgunder Spätlese trocken (2017er AP-Nr) kann im Winter 2019 noch nicht alle Vorzüge des Jahrgangs ausspielen: Dörrpflaume und Brombeere, schwerer Körper, sehr weich und nicht zu süß, ein Winterwein par excellence, jedoch immer noch verschlossen. Silvester 2021 kam die nächste Flasche dran, Fortschritt können wir aber noch nicht vermelden.