Seit Ende der fünfziger Jahre baut Brodbeck auf rund 12 ha die Burgunderpalette, Muskat-Ottonel, Müller-Thurgau sowie einige "Piwis" an und gewinnt daraus ein beeindruckendes Programm von über sechzig Positionen, ohne Sekte und Hochprozentiges. Nun, eigentlich sind es zweimal dreißig, denn Brodbeck bietet jeden Wein in trockener und feinherber Version an. Dabei sind die Weine seit jeher nur etwas für Liebhaber des satten Restzuckers, denn selbst die "Trockenen" gingen anderswo als feinherb durch, und Brodbecks Feinherbe sind klassische Dessertbegleiter oder schnell in der Kehle versickernde Solisten. Selbst bei den Sekten bringt man dieses Kunststück fertig und sorgt mit den als "brut" bezeichneten für Irritation (vor allem der Rosè brut ist bemerkenswert).

Beispiel: den 2007 Spätburgunder lieblich aus Zeiten, als "lieblich" noch "lieblich" heißen durfte, lernten wir im tristen Dezember 2010 in einem Oberbergener Restaurant kennen. Im Glas recht dunkel, im ersten Schluck etwas zu süß und einfach nur unkompliziert, aber dann machen sich der überraschend füllige Körper und saftige, cremige Textur bemerkbar, der Wein ölig die Kehle hinunterfließt, die Süße eine leichte Bitternote annimmt, gut eingebundene und angenehm lebendige Säure hinzukommt und alles sich mit trockenem Nachgang verabschiedet. Der klassische Alleinunterhalter, aber ungemein interessant im Spiel mit foie gras oder leichten Pasteten, und das brachte uns auf die Idee: das ist der bessere Trollinger.

Wer den Eingang zu Brodbecks Probierstube einmal gefunden hat, wird von Landgasthofatmosphäre, einer Art Wein-Supermarkt und zahllosen Flaschen mit diesen Etiketten im unvergeßlichen Achtziger Jahre-Stil empfangen. Auch der Genuß dieser Weine kann eine Reise in die Vergangenheit sein: so zeigte sich die 2009 Müller-Thurgau Spätlese im Frühjahr 2013 zwar nicht mehr spritzig, aber weich und saftig und war immer noch bestimmt von überreifen gelben, schon fast braunen Früchten. Eine schon auf der Lauer liegende Altersnote - obwohl die Weinfarbe keinerlei Verfall ankündigte - brachte Spannung in die liebliche Welt. Und mit dem 2007 Spätburgunder trocken setzten wir im Januar 2015 eins drauf: der erdbeer- und haselnußduftige Wein hatte keinen unbedingt reichen und festen Körper mehr, war aber weit entfernt davon, ausgezehrt zu wirken. Aromatisch zunächst kräuterig herb entfaltete er seine Fruchtsüße erst im Nachgang, war saftig und sehr weich, fast ohne Säure mehr. Gegen Ende 2017 neigte sich der Wein langsam, aber unverkennbar seinem Ende zu. Mit unserer letzten Flasche bewiesen wir im Dezember 2019, daß dieser bemerkenswerte Wein tatsächlich das Ende des Jahrzehnts erreicht hatte, mit letzter Kraft zwar, aber die Erinnerung an viele genußreiche Stunden schenkte er trotzdem. Die 2015 Spätburgunder und 2015 Spätburgunder trocken sind für das Sezieren von Stilistik oder Sortentypizität schlicht zu süß. Das mag Kritiker befremden. Wer hohen Restzuckeranteil mag, wird sich an diesen fröhlich-fetten, aber nicht unfeinen Tropfen dennoch erfreuen.

Brodbeck baut auch den relativ seltenen Muskat-Ottonel an: 2009 Muskat-Ottonel ObA, eine im Anbau heikle, anspruchsvolle und ertragsarme Sorte; verständlicherweise - zumindest in Deutschland - nicht gerade des Winzers Favorit. Brodbeck macht daraus einen frisch-fruchtigen und vom Restzucker her noch akzeptablen Terrassenwein, der nicht ohne pikant-würzige Noten ist. Auch er war im Sommer 2013 ohne Makel zu genießen und fing erst zwei Jahre später an, langsam abzubauen, sprich: leise Kokosnoten schlichen sich ein. Diese Muskat-Ottonel spielen in der Klasse der wirklich hochwertigen Kaiserstühler Müller-Thurgau. Da kommt Brodbecks “echter” Müller-Thurgau nämlich nicht ganz mit. Beim 2015er Muskat-Ottonel trocken muß man nicht Tiefen ergründen. Man stelle sich einfach vor, den Mund mit vollreifen, aber knackig-frischen Muskattrauben zu füllen, weiter, immer weiter, bis man ihn kaum mehr schließen kann - eine saftig-süße Welt von würzigem Muskat, Trockenfrüchten, weißen Blüten: nichts weniger als komplex und immer ein Vergnügen. Mit dem 2016er ließen wir uns Zeit. Im Sommer 2021 überzeugte er mit etwas feinerer Muskatnote als der 15er, ungenierter Honigsüße, seidenweicher Säure und eiskalter Frische - Aperitif für heiße Sommerabende.