1984 trennte sich der landwirtschaftliche Mischbetrieb Waldbüsser von der Genossenschaft und erzeugte in der Folge hochwertige, aber recht bodenständige Weine. Erst nachdem Steffen Waldbüsser 2012 seine Ausbildung in Weinsberg abgeschlossen hatte, verabschiedete man sich von der schwäbischen Besenseligkeit und änderte den Stil in Richtung Anspruch: wenig Alkohol und Restzucker, Konzentration auf Lemberger und Spätburgunder, Versuche mit dunklen Cuvees - angesichts der Konkurrenz im unmittelbaren Umkreis ohne Zweifel die richtige Strategie. Auf rund 5 ha wird die typische Württemberger Palette angebaut, Neuzüchtungen spielen kaum eine Rolle. Ein under-the-radar Weingut mehr, dem weder Stil noch Qualität fehlen, aber die Aufmerksamkeit der Szene.
Steffen Waldbüssers Philosophie lernten wir zum ersten Mal mit den 2014er Trollingern kennen: der 2014 Trollinger trocken ist ein aromatisch herber, starker, vollmundiger und unbedingt trockener Wein mit saftig-intensivem Duft. Kein Alleinunterhalter - Vesperbrezel oder Rostbraten müssen der feinen Frucht auf die Sprünge helfen. Dem Klischee folgend sollte der 2014 Trollinger nun eine Ecke süßer und glatter daherkommen, und tatsächlich wirkt er im Mund weicher, milder, nicht so voll. Aber süßer? Keineswegs, und was seinen Stil angeht, würde er bei anderen Weingütern immer noch als trocken durchgehen. Im Vergleich zu den 2011er und 2012er Trollingern mit ihren niedrigen Säurewerten sind die "neuen" eine völlig neue Qualität. Aber sie verlangen dem an Übliches gewohnten Kunden guten Willen ab. Das war es auch schon, was Waldbüssers heutiges Trollinger-Programm angeht. Die geschmackliche Vielfalt - wir erinnern uns an cremig-schmeichelnde, rotfruchtig-bittere oder beerig-süße Varianten früherer Jahrgänge - ist passé. Vielleicht paßt Trollinger einfach nicht in Steffen Waldbüssers grand design.
Was über Samtrot und seine Vermarktung zu sagen ist, können Sie in LW über... und unserem Bericht von Michael Schiefer lesen. Umso mehr freut es uns, einen Samtrot bei Waldbüsser zu finden: 2012 Samtrot **. Der ist erwartungsgemäß leichter als Schiefers Schwergewicht, aber trotzdem kompakt, sauerkirsch- und kräuteraromatisch, schön saftig und im Abgang plötzlich knochentrocken. Ausdrucksvoller als jeder Trollinger. Der Biß, sprich Säure fehlt ihm jahrgangsbedingt etwas, aber langweilig ist er deswegen nicht.
Den 2011 Lemberger trocken * sahen wir damals als Waldbüssers Basisqualität: zwetschgenfruchtig, süß, vollmundig, etwas kräuterwürzig mit feiner Säure. Relativ leichter Körper, sauber, einfach, sympathisch. Der Wein war insofern interessant als viele Winzer ihre Lemberger (und nicht nur die) an die Grenzen der Leistungsfähigkeit trieben, was teils zu phantastischen Tropfen und teils zu plumpen Karikaturen führte. Vielleicht forderten die guten Württemberger Jahrgänge zwischen 2007 und 2012 dazu heraus, Waldbüsser drehte mit diesem Wein den Trend aber um. Barriqueausbau verleiht dem 2009 Lemberger trocken ** gut eingebundene toastige und Vanillenoten in Duft und Mund, macht ihn auf der Zunge weich und rund. Durch den herbfruchtigen Geschmack ziehen kräftige Akzente von Liebstöckel und anderen Kräutern. Im Vergleich ist der 2011 Lemberger trocken heavy stuff. Herb, voll, stark, streng und mit nur ganz feiner Süße. Da ist der zwetschgenfruchtige 2012 Lemberger * sanfter, ausgewogener und auf der Höhe seiner Zeit. Er entfaltet sich schön, Weihnachtsgewürze kommen dazu, bevor er sich mit herbem, etwas kurzem Nachgang verabschiedet. Der 2013 Lemberger trocken ist wiederum von 2011er Art: rotfruchtig, herbe Mineralik, kompromißlos trocken und nichts weniger als süß. Angesichts dieser kräftigen Weine wirkt der 2014er schwach, bestenfalls filigran. Daß ein Vergleich älterer Jahrgänge mit den 13/14ern für letztere desaströs ausfällt, verwundert nicht. Und angesichts der Qualität, die der 15er Jahrgang verspricht, kann man seine Vorräte aus 2007 oder 2009 unbesorgt austrinken und muß sich nicht mit zweitklassigen Jahrgängen aufhalten.
Lemberger ist zu einem Viertel Bestandteil der Cuvee Mauritius (Acolon und Cabernet Mitos, Dornfelder, Lemberger - ohne Jahresangabe), einer der üblichen, mehr oder minder gelungenen schwäbischen Cuvees. Welche Idee bei der Namensgebung Pate stand, wissen wir nicht, aber der im Barrique ausgebaute, tiefdunkle, trockene, sber nicht allzu schwere Wein weist neben vorherrschender Lemberger-Aromatik Vanille-, Kardamom-, Muskat- und Zimtnoten auf, und dann macht die Namensgebung plötzlich Sinn. Im Winter 2021 öffneten wir einen Mauritius mit 2016er AP-Nr. Unser positiver Eindruck blieb.
Nur kurz zum 2011 Dornfelder trocken Barrique. Der ist säurestark, hat einen schön beerigen Abgang und ist ansonsten so ausdrucksschwach wie Dornfelder nun mal ist, selbst wenn er so aufwendig produziert wurde wie dieser hier. Und während wir beim Spätburgunder immer noch auf einen erwähnenswerten Württemberger warten (hier: 2011 Spätburgunder trocken und 2012 Spätburgunder * trocken), macht Waldbüsser auch aus dieser Sorte eine Tugend: 2011 Blanc de Noir *. Säurestark und bei der ersten Begegnung aggressiv, erfrischend, fruchtsüß, aber nicht klebrig. Dem 2014 Blanc de Noir feinherb aus Schwarzriesling gab man nur noch einen Teil Spätburgunder hinzu. Interessanter Terrassenwein mit leichter gelber Frucht, kräftiger Säure, nicht zu leicht.