Es heißt, Lauffener Lokalpatrioten seien stolz auf "ihren" Schwarzriesling, was der Rest der Weinrepublik lächelnd zur Kenntnis nimmt, um sodann weiterzuziehen. Vielleicht ist diese Geringschätzung in der jahrzehntelangen Produktion klebrigen Stoffes durch Massenhersteller begründet, wer dächte da nicht an Kerner und Trollinger. Warum sollte man sich also überhaupt auf das Risiko "Schwarzriesling" einlassen, und ein start-up, das sich sogar darauf spezialisiert, kann nur unverbesserlichen Optimisten gehören.
Aus zwei Hektar Rebfläche gewann man 2013 den ersten Jahrgang. Ertragsarme uralte Rebstöcke, ökologische Prinzipien im Weinberg, mühsame Handlese, ineffiziente und anstrengende, dafür schonend-präzise Behandlung der Trauben mit einer Korbpresse und vorsichtiger Holzausbau: das ist das Rezept, mit dem man Schwarzriesling gesellschaftsfähig machen will. Und der hervorragende Jahrgang 2015 spielte Krüger/Hirschmüller in die Hände. Außerdem gaben Lemberger, Riesling und Muskateller zum richtigen Zeitpunkt ihre Premiere und - mutig, mutig: Chardonnay.
Die Analysewerte des 2014 Rosé stoßen sauer auf: 8,3 g/l Säure bei gerade 3,3 g/l Restzucker. Da kann man auf die Bezeichnung "trocken" getrost verzichten, wie Hirschmüller es auch tut. Der erste Schluck vertreibt jede Hoffnung auf Lieblichkeit. Erdbeere und Zitrusfrüchte zeigen sich, stilprägend ist aber die kräftige Säure, perfekt eingewoben, deshalb nicht beißend, sondern lebendig, erfrischend. Das ist eigentlich der ideale Terrasssenwein: frisch, trocken, nicht zu süß, zurückhaltend mit dem Alkohol und schlank, aber deswegen nicht geschmacksarm. Der Wein bleibt bei hohen Temperaturen geschmacklich stabil, und im Sommer 2015 bekamen wir das bestätigt. Andererseits wird das Weingut Hirschmüller seinen Kundenkreis zu solch einem Rosé erst erziehen müssen. Es geht noch deutlicher: der 2014 Pinot Meunier blanc de noirs präsentiert sich zunächst duftig und würzig. Teilweiser Ausbau im Holz und Lagerung auf der Feinhefe verleihen ihm tiefe Aromatik und Schmelz. Seine frische Säure wird durch zarte exotische und gelbe Fruchtaromen eingefangen, der Restzucker spielt bei 2 g/l kaum eine Rolle. Nicht zu kühl servieren, damit die Frucht nicht verschwindet. Ein ungewöhnliches Experiment, weil blancs de noirs üblicherweise von ihrer Primärfrucht leben, dieser hier beeindruckt durch seine beinahe funkelnde Säure. Nebenbei beschert der moderate Alkoholgehalt zwischen 11 und 12 Vol-% ein Trinkvergnügen, das angesichts der 14%++ Mode beinahe verloren ging.
Zum echten Weißen, dem 2014 Grauburgunder: im Duft süße Williamsbirne, Honigmelone, frisches Weißbrot, auch etwas Zimt dank Holzausbau. Im Mund sehr schlank und weich mit leichter Cremigkeit, aber kräftig und sehr lange nachhallend. Kompromißlos trocken und zwar mehr als man es von einem Grauburgunder gewohnt ist. Der kühle und feuchte Sommer des Jahrgangs mag das seine dazu getan haben, aber das kommt der Machart der Hirschmüller durchaus entgegen.
Kommentieren wir noch den Sekt 2013 Perlage rosè - brut nature, dann haben wir das ganze Programm: köstlich feinperlig, rotfruchtig mit feiner Hefearomatik, im Mund stark und druckvoll - und der Restzucker bis an die Schmerzgrenze heruntergefahren. Bereitet nach klassischer méthode champenoise, von Hand gerüttelt, aber der Zuckersirup namens Dosage wird eben nicht hinzugegeben. Auch das wird sich hierzulande erstmal durchsetzen müssen.
Begriffsklärung: meistens werden Weine, sagen wir aus französischen Klonen, auch mit dem französischen Namen benannt, zum Beispiel "Pinot Noir", und der Wein aus deutschen Klonen hieße "Spätburgunder". Hirschmüller verfährt anders. Hier heißen die im Edelstahl ausgebauten Weine "Schwarzriesling" und die holzausgebauten "Pinot Meunier", obwohl alle Reben echte - man könnte sagen: autochthone - Lauffener sind.
Der 2014 Schwarzriesling entfaltet seinen Himbeerduft explosiv, zeigt im Mund Kirsche, rote Johannisbeere, Heidelbeere, erdig-mineralische Noten, ist saftig, fast cremig, das alles mit gut eingebundener Säure und natürlich ohne Zugeständnis an Liebhaber des Restzuckers. Schöner schwarzkirschiger Nachgang. Was den Wein neben seiner aromatischen Intensität besonders macht, ist seine Leichtigkeit - zwei Eigenschaften, die nicht oft zueinander finden. Auch dem 2013 Pinot Meunier spendierte man lange Maischestandzeit, außerdem neun Monate Ausbau im mild getoasteten Holzfaß. Im Duft nicht so transparent wie der Schwarzriesling, aber nobler, tiefer. Starke erdige Note, süße Gewürze. Im Mund kommen zur saftigen Erdbeerfrucht Zimt, Piment, ein bißchen und dann immer mehr Pfeffer hinzu. Extraktreich, stilistisch weich, samtig und angenehm trocken, lange anhaltend und - für einen Hirschmüller - überraschend süß. Ein Schwarzriesling mit Eleganz, genauer: der einzige elegante Schwarzriesling, den wir bislang kennen. Immerhin vier Jahre später schmeckt die Erdbeere so delikat, als sei sie geradewegs aus einem Rumtöpfchen vom Ingersheimer "Streuobstwiesle" gefischt worden.
Und bei aller Schwarzrielsing-Begeisterung vergessen wir den 2019 Lemberger trocken "Muschelkalk" nicht: im Duft rotfruchtig, der Körper dicht, massiv, tiefrote Aromatik mit einer Spur Küchenkräuter, 2021 immer noch strenge Tannine. Und bei allem, was den Gaumen überfordern mag, klar strukturiert, soll heißen: der Wein erschließt sich unmittelbar, ist kein marmeladiges Paket.
Krüger/Hirschmüller geben dem Schwarzriesling seine ursprüngliche Bedeutung zurück. Dafür kann man ihnen nicht dankbar genug sein. Wir wußten nach vielen Erfahrungen mit Kerner, Trollinger und anderen schlecht beleumundeten Sorten, daß man erst die richtigen Winzer finden muß, um Respekt wiederzugewinnen, jenen Respekt, der bei der Massenproduktion welcher Kulturpflanze, welchen Tieres auch immer, dem Konsumenten verlorengeht.