“Schwarzer Rappe” ist eine Produktlinie der WG Besigheim und zwar, wenn wir recht verstehen, deren Spitzenlinie - mit nobel anmutender Ausstattung, auch wenn längst jede Genossenschaft den Charme von Gold auf Schwarz entdeckte. Mit exklusivem Vermarktungskonzept: man solle den Schwarzen Rappen nicht einfach im Getränkehandel finden, sondern Bezugsquellen erfragen. Lange hielt dies nicht an, und auch der Schwarze Rappe galoppierte seinen WG-Geschwistern in Richtung Supermarkt und Getränkehandel hinterher. Wie auch immer: für genossenschaftsgeplagte Gaumen sind die Weine eine Art Erweckung.
Beim 2011 Sauvignon blanc QbA trocken bockte der Rappe damals jedoch heftig. Aromatisch eintönig und fast aggressiv vordergründig mit intensiven grün-vegetativen Noten wie Gras und Spargel, die auf zu frühe Lese hindeuten. Kaum genießbar. Der Vergleich mit einem Sauvignon blanc aus der "Generation"-Linie des Sankt Annagarten entfiel deshalb. Mit dieser Erfahrung ließen wir den Riesling beiseite. Er wäre kaum Maßstab für Weine von Kraft, Klein oder anderen, die guten Württemberger Riesling erzeugen. Kein weißer schwarzer Rappe also? Der 2013 Muskateller trocken ist ein interessanter Wein. Geradezu aggressiv sortentypisch, man hat die pure süße Traube im Glas und sonst nichts. Er läßt keine Nebenakzente zu: eintönig reintönig, unverfälscht, wenn man will. Muskateller in Reinkultur. Nicht sehr trocken, süffig, kühl, klar, und er bereitet ohne Zweifel Trinkvergnügen. Der 2015er ist bedeutend facettenreicher, sogar eleganter, und mit ihn beginnt das Projekt "Schwarzer Rappe" so etwas wie Charakter zu bekommen. Und mit dem 2019er, im Sommer 2021 geöffnet, stellen wir fest, daß der Muskateller der "signature wine" des Projekts geworden ist, mehr noch: eine Referenz, die es mit jener vom Forsthof durchaus aufnehmen kann. Ähnlich konsequente Machart, nur viel ausgewogener, bietet der 2014 Chardonnay trocken: archetypisch, sofern man das bei Chardonnay sagen kann, geht er mit etwas fetter Stilistik und erträglicher Vanillearomatik in die amerikanische Richtung. Ein gefälliger Wein mit feiner Säure, reichem Mundgefühl und langem Nachgang. Sieh an: sie könnens ja doch und zwar immer mehr, denn der 2016er Chardonnay erinnert an einen weichen, saftigen, würzigen und nicht zu süßen Badener Weißburgunder, der nicht mehr nur gefällig ist, sondern wie der Muskateller Eleganz zeigt. Umso enttäuschender, daß der 2022er in Agressivität und Eintönigkeit zurückfällt.
Zu den Roten und zwar zum Samtrot. Wer jemals Michael Schiefers Interpretation trank, weiß, wozu die Traube imstande ist. Die Aromatik des 2012 Samtrot QbA lieblich läßt sich dagegen kurz und knapp mit Kaugummiautomat umschreiben.
Mit dem 2012 Trollinger QbA feinherb kommt der Rappe in Trab. Aromatisch etwas rote Johannisbeere, später viel Walderdbeere. Stilistisch ist kaum etwas von der trollingertypischen Cremigkeit zu spüren, das nimmt ihm aber nicht den Schwung. Für einen feinherben Genossenschaftler ist er ungewöhnlich ausdrucksvoll, für einen ernstzunehmenden Trollinger genau richtig. Nach hinten nicht besonders ausdauernd, aber man kann nicht alles haben. Sein 2010er Vorfahre - geöffnet im September 2015 - wirkt uneingeschränkt frisch und sehr süffig, fast zu sehr: er taumelt angsterregend auf dem Grat zwischen feinem Kräuterakzent und Limonade ohne abzustürzen. Der 2011er Schwarzriesling, pardon: Pinot Meunier trocken, wie es prätentiös heißt, ist wiederum untypisch herb, dunkelfruchtig und wirkt mit seiner Säure lebendig und saftig. Nicht besonders vollmundig, aber er genügt dem Anspruch der Marke.
Der 2012 Lemberger QbA trocken ist ein leichter, beerenfruchtiger Vertreter ohne hervorstechende Eigenschaften. Durchaus nicht langweilig: sauber gemacht, stilistisch ausgewogen, geschmacklich transparent, nicht zu süß, vielmehr eine Art hochwertiger Basiswein. Wir verglichen ihn mit Supermarktstoff (2011 Besigheimer Felsengarten Lemberger in der Literflasche) und dessen Klebrigkeit, wie sie nur Genossenschaften zuwege bringen, und der Qualitätsunterschied ist bemerkenswert. 2009 Lemberger trocken Barrique mit schwarzem statt weißem Etikett. Sieht wirklich gut aus. Und guter Wein: stilistisch samtweich, recht tief, trocken, feines Säurespiel. Aromatisch schwarzfruchtig, etwas Liebstöckel, Toast und Holz. Nicht allzu voll und abermals zu kurz. Die Website des Schwarzen Rappen jubelt: “Die Barriquereife ebnet diesem Lemberger zweifellos den Weg in den Olymp der Württemberger Rotweine” (Korrektur dreier Schreibfehler in einem Satz durch uns). Wir erlauben uns, Wasser in diesen Olymp-Wein zu gießen und festzustellen, daß man sich mit ihm nicht blamiert, wenn man ihn Gästen serviert. Vorausgesetzt, die Lemberger von St. Annagarten, Supp, Waldbüsser usw usf, von Eberhard Klein oder Hartmann Dippon ganz zu schweigen, stehen nicht in der Nähe.
Nach mehreren Jahren - äußerst - kritischer Begleitung stellten wir fest, daß das Projekt "Schwarzer Rappe" gelang. Zwar mit Unterstützung durch einige hervorragende Jahrgänge, aber die genossen andere Genossenschaften auch, und die meisten davon zeigen immer nur und bestenfalls Seitwärtsentwicklung. Kunden mögen die Jahrgänge beachten, sich an die Muskateller und Chardonnay halten, und damit ist es gut. Denn dort, wo seine Macher den "Schwarzen Rappen" zu sehen glauben, wird er nie ankommen.