Das "pairing" von Weintraube und Kakaobohne, sprich: Weine gleichzeitig mit Schokoladen verschiedenster Geschmacksrichtungen zu genießen, ist ein Modetrend, ähnlich der Überflutung und kurz darauf -sättigung mit Wachholderschnaps (Gin) aller möglichen Aromatisierungen aus aller Herren Länder. Während jener Trend allmählich austrocknet, scheint die Kombination von Wein und Schokolade weiterhin ein Faszinosum zu sein, auch wenn sich der ursprüngliche "hype" - Wein und Schokolade mit Salz, Schokolade mit Pfeffer, mit Chili, mit Basilikum usw - inzwischen legte. Da wir von der LW grundsätzlich keinem Trend hinterherlaufen, warteten wir ab, prüften in Ruhe und entschlossen uns, unsere seit etwa 2020 gemachten Erfahrungen nun zu teilen.
Schokolade mit Wein zu essen erschließt sich nicht unbedingt. Gesund ist das alles sowieso nicht: zum Alkohol-Zuckergemisch das Lecithin-Zuckergemisch? Aromen, Enzyme, Säuren, Zucker, Glyzerin, nicht zuletzt Reife und der Gehalt am Geschmacksträger Alkohol bestimmen - grob gesagt - den Geschmack des Weines, und dieses Potpourri sollte zu Zucker, Säuren, Fetten, Textur und aromatisierenden Zusätzen wie Früchten, Salz etc. in der Schokolade passen: es entsteht eine Matrix, in der sich irgendwo die theoretisch ideale Kombination verbirgt, die man eventuell nie entdecken wird. Und glaubt man sie doch entdeckt zu haben, wird sie möglicherweise genau so lange ideal sein, bis man sie im Mund hat oder merkt, wie die Gäste sich verlegene Blicke zuwerfen, und alles ist über den Haufen geworfen. Das gilt übrigens - mit anderen Parametern - für alle Versuche, dem Wein überhaupt irgendwelche Gefährten wie Käse, Speck bis hinunter zu Kräckern zur Seite zu stellen. Whisky ist in der Kombination mit Schokolade viel unkomplizierter: er sitzt am Tisch immer ganz oben.
In Konsequenz verlangt die Kombinierung von Wein und Schokolade Neugier, Experimentierfreude und den Mut, wahrscheinlich gelangweilt, sogar enttäuscht zu sein. Goldene Regeln, die man sinnvoll brechen könnte (kein Rotwein zum Fisch usw.), gibt es hier kaum, vor allem, weil persönliche Genußpräferenzen - wie fett und süß darf es heute sein? - sich jeder Systematisierung entziehen. Genug der Vorrede.
Eine recht sichere Bank ist die Kombination von frischem, jungem, stahlausgebautem und noch primärfruchtigem Weiß- und Rotwein mit dunkler, etwas bitterer Schokolade bei sicher nicht mehr als 80% Kakaoanteil. Sie kann die Frucht des Weines hervorheben, und seine Säuren werden sich mit denen der Schokolade - Zitronen-, Milch- Oxal- und Phosphorsäure sowie Spuren von Essigsäure - weniger beißen als vielmehr ergänzen: eine klassische Kombination. Kann man sich vorstellen, daß bestimmte Früchte wie Orange, Birne oder Kirsche gut zur einer Schokolade passen würden, so wird der von jenen Aromen bestimmte Wein wahrscheinlich ebenso mit dieser Schokolade funktionieren.
Da junger, fruchtiger Wein irgendwie zu allem paßt, weil er noch keinen Charakter entwickeln konnte, sind dunkle, warme, rote Rebsorten interessanter und herausfordernder, zumal wenn ihre Weine holz- oder barriqueausgebaut und etwas gereift sind. Jedoch tötet ein dominanter Holzton unbarmherzig jedes Vergnügen. Tolerabel sind nur Weine aus mindestens zweitbelegtem Holz, wenn Lignin sich längst zu Vanille veredelte. Klassiker in diesem Spiel sind Cabernet Sauvignon, Syrah and Merlot sowie gespritete Weine. Cabernet Sauvignon passte gut zu mit Minze aromatisierter, dunkler Schokolade, und wir meinen nicht jene mit Minzpaste gefüllten, zuckersüßen Plättchen, die angeblich erst nach eight pm gegessen werden dürfen. Zu denen trinkt man am besten Wasser. Insgesamt wird ein weicher, pflaumenduftiger Merlot eine gute Wahl für dunkle Schokolade sein. Andere für den Zweck denkbare Rebsorten wie Zinfandel, Malbec, Nero d’Avola und so weiter stammen immer aus südlichen oder überseeischen Gegenden, haben reiche Frucht, samtige Tannine und oft selbst schokoladige Noten, wenn holzausgebaut.
Damit schränken wir die Palette infrage kommender Weine auf rote Herbst- und Winterweine ein und schließen die Mehrzahl weißer Frühlings- und Sommerweine aus. Das gilt auch für holzausgebaute, schwere weiße Burgunder und leider auch gereifte Sauternes, Tokayer usw, die wir ebenfalls zur kalten Jahreszeit zählen. Sie zur Schokolade zu reichen, ist Verschwendung. Der frühere Eigentümer von Ch. d'Yquem zum Beispiel wußte genau, warum er seine Tropfen eher bei weißem Pfirsich und Gänsestopfleber sah. Extreme Süße sollte mit Kontrapunkten wie erstklassigem Käse oder Zitronendesserts wie tarte au citron kombiniert werden, aber nicht mit noch extremerer Süße.
Kalte Schokoladendesserts sind einfacher mit Wein zu kombinieren als warme oder heiße. Zu einem Schokoladenfondue funktionieren bestenfalls Port oder Cream Sherry, alles andere wird von der Hitze, der Gewalt der Textur und dem Zucker erschlagen. Den Versuch machten wir allerdings nicht in der Tiefe, weil wir alten Port oder gereiften Sherry dafür nicht verschwenden wollen und man sich auch fragen kann, was man seinem Körper mit Schokoladenfondue eigentlich antut. Ein fünfzig Jahre alter Sherry passte zu Milchschokolade mit Mandeln, Pistazien und Haselnüssen sehr gut. Eine hochwertige hellere Schokolade mit vom Chocolatier hineingemixten getrockneten Cranberries war in Ordnung mit fettem Port und ruinierte feinen Amontillado.
Zur weißen Schokolade. Manche sagen, sie sei gar keine richtige Schokolade und haben damit einen Punkt. Eine junge Beerenauslese vom Riesling schmeckte eindimensional säuerlich, wobei die cremige Textur der Schokolade gut zur Säure des Weins paßte, der Amontillado wurde jedoch bitter. Zu beiden Weinen schmeckte Nußschokolade viel besser, kitzelte zwar keine besondere Überraschung heraus, schadete aber nicht. Die hier und da empfohlene Kombination von weißer Schokolade und Champagner wegen angeblicher Spannung zwischen der cremigen Textur weißer Schokolade und den Hefe- oder Briochenoten des Champagner testeten wir nicht. Zur Zeit lagern wir nur Rosé Champagner der Spitzenklasse, und der ist uns für Experimente zu schade. Im übrigen ist uns weiße Schokolade viel zu süß. Was uns zum Fazit bringt...
Mit etwas Überlegung und einigem Aufwand ist die ideale Wein-/Schokoladen-Kombination durchaus zu entdecken und nach sorgfältigen Versuchen sogar Gästen zumutbar. Nur: warum sollte man?