Norbert Helde, Sasbach-Jechtingen Sparfuchs

Überall kann man sparen. Beim Mundwasser zum Beispiel, selbst wenn das im Kundenverkehr womöglich keine so gute Idee ist. Oder, nachdem die Kunden trotz der engen Probierstube genügend Geruchsabstand gesucht und gefunden haben, bei der Menge des zu probierenden Weines, den man ihnen gewährt - nein, nicht zum "Saufen", zum Probieren. Wenn das Drittel Schluck aber kaum den Glasboden benetzt, muß man die Situation durch einen Scherz auflockern: "Schwaben sind ja sparsam, hehe". Immerhin könnte man das so gesparte Geld in die eigene Mundhygiene investieren. Wenn das der Grund war, sind wir voll dabei.

Weinmoment, Ludwigsburg Korkgeld und keine Gläser

"Den klassischen traditionellen Weinfachhandel modernisieren und das manchmal etwas einschüchternde Thema Wein für alle zugänglich zu machen und mit schönen Erlebnissen und Momenten zu kombinieren!" Website-Zitat Ende.

So einen schönen Moment hatten wir neulich in einer der Filialen dieser Kette. Wir waren vom Angebot der offenen Weine - seit mindestens zwei Wochen dasselbe - gelangweilt. Aber wo ist das Problem: ringsherum ein sattes Angebot zwar selten bemerkenswerter, aber immerhin aus fast aller Herren Länder stammender Weine. Man greift sich eine interessante Flasche und geht zur Theke: „Diesen bitte fünf Minuten in den Kühlschrank." Nachher bezahlt man ihn ja ohnehin.

Aus der Gastronomie kennt man das sogenannte "Zechgeld": meint der Gast, unbedingt irgendetwas eigenes ins Restaurant mitbringen zu müssen, bekommt er einen Obolus berechnet, um den entgangenen Gewinn des Wirtes auszugleichen. Bei unserem besonderen Weinmoment allerdings lernen wir die Weinmoment-Interpretation kennen: wir bringen eben nicht etwa eigenes Zeugs mit, sondern wählen eine Flasche aus dem Sortiment genau jenes Händlers und sollen dafür ein "Korkgeld" in Höhe von rund 30 % des saftigen Flaschenpreises hinlegen. Für welchen entgangenen Gewinn? Daß andere es noch unverschämter treiben, macht das Ganze nicht besser.

Wir räumen erstens ein, daß selbst der Bedienung das Ganze sichtlich unangenehm war. Zweitens haben wir Verständnis für das Zechgeld, wenn Idioten sich irgendeine 4,99-Plörre öffnen lassen wollen. Niemand soll sich aber wundern, wenn es mit den schönen Momenten demnächst vorbei sein wird.

Nachtrag: bei unserem letzten Besuch - es wird bis auf weiteres der letzte bleiben - tranken wir zweitklassigen Weißwein. Als wir von dem genug hatten und auf (leider drittklassigen) Rotwein umsteigen wollten, fragte die Bedienung, ob wir noch Wasser am Tisch hätten, um unsere Gläser auszuspülen.

Ach Ines, wie vermissen wir Sie!

Ingo Ehret, Auggen: Funkstille

Normalerweise und leider viel zu oft läuft das Ganze so ab: Weinjournaille bestellt Probierpaket und macht von vornherein klar, daß die Zahlung mit dem zu erwartenden Artikel abgegolten sei. Oder die Rechnung wird einfach nicht beglichen und fertig. Die meisten Winzer akzeptieren, knicken ein, haken ab, denn wer kann sich schon schlechte Presse leisten. Wir von der LW bezahlen unseren Stoff seit jeher, und wir schicken unbestellte Pakete garantiert zurück: Gefälligkeitsgutachten mögen andere schreiben. Wer Schnorrern und ihrem Urteil vertraut, glaubt wahrscheinlich auch, was auf der Bundespressekonferenz verkündet wird.

Wenn wir nicht vor Ort sein können, bitten wir Winzer einfach um Zusammenstellung und Zusendung eines Probierpakets - samt Rechnung, versteht sich. Und wir bitten auch gerne zweimal, weil eine eMail übersehen werden kann. Wenn eine dritte Anfrage dann immer noch keine Reaktion - gar keine, auch keine Absage - auslöst, verstehen wir den Wink durchaus. Etwas überrascht waren wir trotzdem, denn ein kleines, nicht etabliertes, soll heißen: weithin unbekanntes Weingut mit einem Preisniveau, das uns zusammenschrecken läßt, zudem tief im Südwesten versteckt, müßte an Publicity dringend interessiert sein. Aber dann verstanden wir: wer seiner Kundschaft gerade mal fünf Stunden pro Woche öffnet, ist entweder Nebenerwerbswinzer, der nicht anders kann, oder er ist an Umsatz nicht interessiert. Wer sichs leisten kann. Und es gibt noch eine Möglichkeit.

Man sehe sich die ansonsten öde "Galerie" auf Ehrets Website an (Verlinkung sparen wir uns). Das Bild, in dem er, an der Motorhaube eines "Mini" lehnend, ein Glas Weißwein schluckt: unbezahlbar. Alkohol am Steuer - für Ehret kein Problem. Was würden Sie sagen: ziemlich cool oder ziemlich dämlich?

Wein und Rosen, Bahlingen am Kaiserstuhl: Etwas ungelegen

  • Sie fragen einen Termin an.
  • Sie haben einen Termin vereinbart.
  • Sie bekommen den Termin am Vorabend bestätigt.
  • Sie erscheinen pünktlich zum vereinbarten und bestätigten Termin.
  • Sie können nicht empfangen werden.
  • Sie werden für eine Stunde weggeschickt.
  • Sie schlagen eine Stunde tot.
  • Sie kommen wieder.
  • Sie werden empfangen.
  • Sie sitzen jemand anderem gegenüber als erwartet.
  • Sie werden zwischen verschiedenen Personen hin- und hergereicht.
  • Sie beginnen, den Druck der anderen zu spüren.
  • Sie bekommen das Gefühl, zu stören.
  • Sie werden nervös und verlegen.
  • Gehen läßt man Sie aber nicht.
  • Sie reißen sich irgendwann los - trotz allem zufrieden und mit großer Bestellung.
  • Das Weingut aber hat Sie vergessen in jenem Moment, in dem Sie es verließen.

  • Und Sie dachten, Weinkauf sei eine schöne Sache?

    Franz Keller, Oberbergen: Aldis Keller

    Wir besuchen den global player des Kaiserstuhls: das Weingut Franz Keller, Oberbergen. Seine neue location ragt verwegen aus dem Hang, bewacht bedrohlich den Ortsausgang in Richtung Sowjetunion. Breit angelegte Stufen führen zum Bunkereingang. Ein Jahr nach Eröffnung liegen die Kabel der fehlenden Treppenbeleuchtung immer noch wie Schlingnattern in der Sonne herum. Roher Beton und große Glasflächen wirken ernüchternd, und diese Ernüchterung setzt sich beim Betreten fort: Regale, so weit der Blick reicht, gefüllt mit Schnäpsen, Gläsern, ne Schmuckvitrine steht rum, Karaffen, T-Shirts, Essig und Öl, Untersetzern, Büchlein, Weinbelüftern, Flaschenöffnern, wieder Gläsern, Karaffen, was noch, ach ja: Weinen aus Italien, Frankreich… Unser Weg führt zunächst zurück zum Eingang, bewaffnet mit einer Euro-Münze für den Einkaufswagen, allein: es gibt keinen. Da LW mit Accessoires ganz gut ausgestattet ist und das "Franz Keller"-Fahrradtrikot nicht gefällt, wenden wir uns den Weinen zu.

    Du kommsch hier net rei - die Erste

    Die Weinliste erweist sich als noch nüchterner als der Baustil. Frisch aus dem S/W-Kopierer und schief zusammengetackert. Hatten wir von einigen Winzern weiter unten im Dorf schon besser, aber natürlich sagt das nichts über die Qualität der Weine aus. Sie kennen das mit dem Alkohol und der Grundlage? Vor der Probe also eine Stärkung, eine Etage höher ins Restaurant mit der Siebziger Jahre Uni-Mensa-Anmutung. Ein Blick auf die Karte, aber weiter kommen wir nicht. Eine Azubine, es muß eine gewesen sein, zischt uns an: „Hen Sie reserviert!?“ und verteidigt erfolgreich den Zugang zu "Lauwarmem Thunfisch an Tomate" oder so. Der Preis ist hier übrigens Nebensache.

    Du kommsch hier net rei - die Zweite

    Also Treppe wieder runter, und ab jetzt im Zeitraffer: erster Wein, zweiter Wein, dritter Wein; Preisniveau ab etwa 13,50 Euro (natürlich pro Flasche, nicht pro 6er-Karton). Urteil: hatten wir von einigen Winzern weiter unten im Dorf schon besser. Vierter, fünfter, sechster; Preise ab 18 Euro aufwärts. Urteil: siehe oben - sofern man dies Preisniveau überhaupt sonstwo findet. Also zu den Krachern: „Selektion“ ab 40 Euro. Urteil: siehe oben. Glaubt es! Zudem werden die Spitzenweine nur ungern ausgeschenkt. Unsere Bitte, einen Selektionswein probieren zu dürfen, wird jedenfalls mit der Frage „Wollen Sie nicht einen anderen?“ abgeblockt (Originalzitat). Es reicht. Unser Versuch, die haute volée der Weinwelt zu erobern, ist gescheitert. Wir lassen Tote und Verwundete zurück und fliehen.

    Fazit und Nachtrag

    Nach wie vor weiß das Weingut Keller ganz genau, wer in seine Zielgruppe gehört und wer nicht. Aber für letztere gibt es ja Aldi. Das Sammelsurium von Unnötigem wurde übrigens inzwischen beseitigt. Das Ambiente ist dadurch sehr viel offener, aufgeräumter, und bei unserem kürzlichen Besuch im Spätsommer 2021 wurden wir sehr freundlich und nicht etwa von Idioten begrüßt. Pluspunkt.

    Reiner und Marion Probst, Achkarren: gepfefferte Schweinsbacke

    Der erste Besuch...

    Die Weinstube des Gutes ist in ihrer ländlichen Gemütlichkeit nicht anders als erwartet. Um Service und Bedienung kümmert sich Frau Probst persönlich, berät und empfiehlt und hilft bei der Auswahl der Speisen und Weine, da das Sortiment nicht gerade zu den kleineren gehört. Also entschließen wir uns zu einer Weinprobe während des Essens. Leider entpuppen sich die Weine, die als Begleiter zu den wirklich empfehlenswerten Speisen ausgesucht wurden, eher als zurückhaltend bis hin zu langweilig. Fairerweise merken wir an, daß Probst an diesem Tage die Nummer Vier auf unserer Liste ist, so daß wir wohl etwas überfordert sind. Die Produkte anderer Winzer geizen auch nicht gerade mit ihren Reizen, und Arbeit macht bekanntlich müde. Also nochmal.

    Der zweite Besuch...

    Im Rahmen der "Kulinarischen Kellerwanderung" durch Achkarren, einer sehr guten, leider einmaligen Initiative einiger Achkarrer Weingüter, lädt das Weingut Probst zum Hauptgang. Erstmal hinab in den Keller. Empfangen werden wir von Frau Probst persönlich, die den "Syrah" vorstellt. Einige Gäste müssen dem Vortrag leider mit leerem Weinglas, manche auch ganz ohne Glas folgen. Jene aber, die den Wein probieren dürfen, schmecken ihn anschließend beim Hauptgang sofort wieder heraus. Die stark pfeffrige, schon beißende Note eignet sich hervorragend zum Würzen der angebotenen Schweinsbäckle. Dafür liegt der Flaschenpreis mit 19.- Euro aber jenseits unseres Limits für ein Gewürz. Da wir zuvor von Frau Probst aufgeklärt wurden: "... ein Wein der weniger als 19 Euro kostet, kann nicht gut sein ...", dürfen wir folgendes anmerken:

    Liebe Frau Probst, Ihrer Philosophie folgend hätten Sie einen Ihrer Weine aus der 29 bis 39 Euro Klasse wählen sollen. Vielleicht hätte er es mit den "Billigen" Ihrer Kollegen aufnehmen können.

    Der dritte Besuch...

    ...fand entgegen früherem Entschluss dann doch statt. Niemand soll uns vorwerfen, wir würden uns nicht belehren lassen - erst recht eines Besseren. Auszug aus der 2010er Ausgabe des Gault Millau: “Typisch! Dies ist als ein sehr treffendes Merkmal dieser Weine zu nennen. Dies gilt sowohl für die erkennbare Bodennote des Schloßbergs, die sich geschmacklich konsequent bis in die Selektionsweine durchzieht. Daneben zeigen alle Weine deutlich den jeweiligen Rebsortencharakter. Sie sind gestandene Kaiserstühler, die durch ihre kraftvolle, fast glühende Frucht und mundgefüllte Intensität überzeugen”. Zitat Ende, und das "Typisch" gilt auch für das über die Jahre immer inhaltsleerere Geschwafel des Millau.

    2009 Muskateller QbA trocken - zartes, schmeichelndes, typisches Muskatelleraroma und Melonen im Duft; im Geschmack dann überraschend flach mit kaum merklichem Abgang. 2009 Spätburgunder QbA trocken. Aroma: eigentlich keines. Eher muffig, aber nicht erdig. Nach sehr langer Zeit im Glas weicht der muffige Charakter dem sich stark in den Vordergrund drängenden Alkohol. Ein sehr einfacher Begleiter, jedoch nicht zu jedem Essen, da er sonst nur den Mundbefeuchter spielt. Im Abgang sehr sauer und in eine beißende Bitternote übergehend. 2009 Achkarrer Schloßberg Spätburgunder Spätlese trocken: der Schwabe hat sein Versteckerle, das Weingut Probst auch. In Schwaben handelt es sich um die Maultasche, bei Probst um diesen Wein. Der mogelt sich gekonnt an sämtlichen Geschmacksnerven vorbei und ist weg. 2009 Achkarrer Schloßberg Syrah QbA trocken - der Pfefferwein. Siehe da: dezente, sortentypische Note von schwarzem Pfeffer, die nach einiger Zeit im Glas durch intensive dunkle Schokolade ergänzt wird. Keine schlechte Kombination, wenn nicht mit der Zeit die Blockschokolade alles andere verdrängt hätte.

    Leopold Schätzle, Endingen: komplett abwesend

    Abseits der Straße hinter Maisfeldern liegt das Weingut Leopold Schätzle. Der rustikale Empfang in rustikalen Räumen durch einen heiteren Herrn lässt durch Hinweis auf eine Tochter, die zuständig sei, schließen, daß es sich um den Hausherrn selbst handelt. Zahlreiche Fotos von Prämierungen bestätigen das und wecken Lust auf den Wein. Der scheint zuvor in Mengen geflossen zu sein, was die zahlreichen benutzten Gläser auf Tischen und Tresen belegen. Trotz der dadurch vermittelten räumlichen Enge, oder vielleicht deshalb, steigt die Lust noch mehr.

    Die Tochter erscheint beiläufig und stellt beiläufig den vier erwartungsfrohen Gästen oder eben Kunden ein Glas zur Verfügung. Ein Glas. Eines (1). Die Bitte um Sekt wird gekontert mit “Wenn Sie ihn gekauft haben, können Sie ihn probieren”. Dann eben den Klassiker des Kaiserstuhls, den Spätburgunder. Nun gut, da ich mich auf das Urteil meines Freundes verlassen kann, bin ich auch nicht traurig, nicht probiert zu haben. Die Tochter verschwindet, erscheint ein zweites Mal, ist erstaunt über das Urteil: „Etwas trockener bitte...“ und legt einen obenauf: „Dann probieren Sie unsere Spätlese“ - „Etwas trockener...“ – „...mit einer feinen Kirschnote...“ Nun stehst Du da. Ein Glas, vier Personen, Tochter wieder weg, Kirschnote auch nicht da. Womöglich noch in der Blüte. Es reicht.

    Wir verlassen ein Weingut, dessen Patron uns beim Abschied hinterherläuft und überrascht ist, keinen Umsatz gemacht zu haben. Aber wie soll man unseren Geschmack auch treffen, ohne ihn kennenlernen zu wollen. Lieber Herr Schätzle, noch so viele Urkunden können mich nicht dazu bewegen, Ihren Wein zu kaufen. Hätten Sie mich nur probieren lassen, hätten Sie mich vielleicht überzeugen können. Deshalb kein Urteil über Ihre Weine.